Umfrage

Scrollen auf dem Klo: Trend zum Toilettengang mit Handy

Immer mehr Deutsche nehmen ihr Smartphone mit auf die Toilette, um dort zu surfen, während sie ihr Geschäft verrichten. Warum nur?

02.07.2022

Von Gregor Tholl/dpa

Viele Menschen können das Handy auch auf der Toilette nicht aus den Händen legen.

Viele Menschen können das Handy auch auf der Toilette nicht aus den Händen legen.

Berlin/Lübeck. Phänomen WWW selbst auf dem WC: Das stille Örtchen ist ein Tor zur Welt geworden. Früher war der Toilettengang eine Art Auszeit, Papa blätterte dort höchstens mal in der Zeitung, andere schauten in ein Magazin oder lasen in einem Buch ein paar Seiten. Heute dagegen haben Millionen Menschen weltweit ihr Smartphone auch auf dem Klo bei sich und sind mobil online. Der Trend geht zum smarten Stuhlgang.

Eine Umfrage des Cybersicherheitsunternehmens NordVPN ergab kürzlich, dass inzwischen 55 Prozent der Erwachsenen in Deutschland ihr Handy mit auf die Toilette nehmen. Vor sieben Jahren sollen es erst 42 Prozent der Bundesbürger gewesen sein. Bei einer Befragung des Verbraucherportals „Handytarife.de“ im Jahr 2015 antworteten gut 8 Prozent, dass sie „Ja, des Öfteren“ ihr mobiles Endgerät mit aufs Klo nehmen. 13 Prozent sagten damals „Ja, ab und zu“ und etwa 21 Prozent „Ja, aber nur selten“ (macht zusammen 42 Prozent).

Mit 55,5 Prozent sagte 2015 jedoch mehr als die Hälfte in der repräsentativen Umfrage: „Nein, nie“. Nach der aktuellen Umfrage von 2022 kommt das strikte „Nein“ heute nur noch auf gerade mal 37 Prozent.

Die beliebteste Aktivität der Abort-Handynutzer ist bei fast allen das Scrollen durch Social-Media-Kanäle. Für Deutsche ist es auf der Toilette aber auch wichtig, sich über Nachrichten zu informieren (49 Prozent). Lokus-Logik: der richtige Ort für die Scheiß-Weltlage. Darüber hinaus werden Sachen für die Arbeit gecheckt (33 Prozent), Online-Spiele gezockt (32 Prozent), Videos, Filme oder TV-Sendungen geschaut (24 Prozent), Freunde angerufen oder angeschrieben (23 Prozent) oder der Tag geplant (etwa 15 Prozent).

„Menschen haben auch schon vor dem Smartphone Medien auf der Toilette konsumiert“, betont der aus Österreich stammende und in St. Gallen (Schweiz) lehrende Verhaltensforscher Clemens Stachl. Der Professor für Behavioral Science sieht jedoch heutzutage eine neue Dimension. „Ich spreche in diesem Zusammenhang oft von der Linsenfunktion des Smartphones“, sagt Stachl. „Es konzentriert und bündelt auf einem einzigen Gerät viele Aktivitäten, die früher an bestimmten Orten oder in anderen Kontexten ausgeführt wurden: Dating, Bankgeschäfte, Einkaufen, Spielen, Navigieren, Reisen planen, Sprachen lernen und so weiter.“

Auch der Psychologe und Internet-Suchtforscher Hans-Jürgen Rumpf sieht eine gewisse Tradition im heutigen Verhalten. „Schon früher haben Menschen auf der Toilette gelesen. So gibt es eine Studie von vor 20 Jahren, nach der damals immerhin ein Viertel der Bevölkerung auf dem Klo gelesen hat, etwa Bücher oder Comics. Stärker ausgeprägt war – und ist – dieses Verhalten bei Männern.“

Da das Smartphone aber sehr viel mehr Möglichkeiten biete, sei das Scrollen auf der Toilette im Jahr 2022 deutlich weiter verbreitet als das reine Lesen noch 2002. Der Zeitvertreib mit den kleinen Computern sei nun mal viel ansprechender und vielfältiger als mit anderen Medien. dpa

Spanien vorn – Deutschland Schlusslicht

Einer Erhebung aus dem laufenden Jahr zufolge nutzen von allen befragten Ländern die Erwachsenen in Spanien ihr Smartphone am meisten auf der Toilette. Fast 80 Prozent der Befragten gaben dort an, sich auf diese Weise auf dem Lokus die Langeweile zu vertreiben. Es folgen Polen (etwa 73 Prozent), die USA (etwa 71 Prozent), Kanada (etwa 66 Prozent), die Niederlande und Frankreich (jeweils etwa 64 Prozent) sowie Australien (62) und Großbritannien (59). Deutschland ist in dieser Liste mit knapp 55 Prozent Schlusslicht.

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Erstellt:
02.07.2022, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 43sec
zuletzt aktualisiert: 02.07.2022, 06:00 Uhr

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