Tübingen · CineLatino

Schwierige Abrechnung mit dem Folterstaat

In „Argentina, 1985“ entscheidet ein Prozess über die Zukunft des Landes.

03.05.2023

Von Dorothee Hermann

Schwierige Abrechnung mit dem Folterstaat

Wie fragil die Demokratie in seinem Land kurz nach dem Ende der Militärdiktatur 1983 war, zeigt der argentinische Regisseur Santiago Mitre in diesem außergewöhnlichen Gerichtsfilm. Der bekannte argentinische Schauspieler Ricardo Darín (aus dem Oscar-Winner „In ihren Augen“, 2009 beim CineLatino), verkörpert darin den Staatsanwalt Julio Strassera. Er ist hauptverantwortlich für die Anklage gegen führende Juntamitglieder wie Staatschef General Jorge Rafael Videla und Admiral Emilio Massera, die für vieltausendfache Folter, Mord und Verschwindenlassen während der Militärdiktatur verantwortlich waren.

Strassera muss die Beweise dafür zusammentragen, und dass er dafür viel zu wenig Zeit hat, ist nur eine der Hürden, die ihm offenbar systematisch von fast allen Seiten in den Weg gelegt werden. Aus dem Justizapparat will niemand mit ihm zusammenarbeiten. Doch Strassera kann schließlich ein Team von engagierten Nachwuchsjuristinnen und -juristen zusammenstellen, unter ihnen Luis Moreno Ocampo (Peter Lanzani), später Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.

Moreno Ocampo stammt selbst aus einer Familie mit engen Verbindungen zum Militär, die seine aktuelle Aufgabe massiv missbilligt. Seinerseits fragt er einmal, was Strassera eigentlich während der Diktatur getan hat.

Die Gesellschaft erweist sich als stark durchsetzt von Junta-Anhängern, Günstlingen und Getreuen. Strassera erhält Morddrohungen, auch gegen seine beiden Kinder. Doch er ist entschlossen, sich davon nicht zu sehr zusetzen zu lassen. Mit seinem jungen Sohn Javier nimmt er nun vorsichtshalber lieber die U-Bahn, statt das am Straßenrand abgestellte Auto, in dem eine Bombe versteckt sein könnte.

Der Film holt die Verbrechen und die Aufarbeitung der Militärdiktatur noch einmal ganz nah heran. Es ist erschütternd, wenn die Opfer vor Gericht berichten, welche Ungeheuerlichkeiten ihnen angetan wurden. Das ganze Land verfolgt den Prozess, und sogar Moreno Ocampos Mutter bekommt endlich eine Vorstellung davon, wozu die von ihr verehrten Militärs fähig waren. Doch bis zum Schluss bleibt offen, wofür das Gericht und Argentinien sich entscheiden werden. (Kino Museum, Fr, 20.30 Uhr, und Mo, 17.30 Uhr. Kamino, Sa, 18 Uhr. Deutsche Untertitel).

Schwierige Abrechnung mit dem Folterstaat

Zum Artikel

Erstellt:
03.05.2023, 21:31 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 02sec
zuletzt aktualisiert: 03.05.2023, 21:31 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!