Erhaltungssatzung

Schutz für die Prachtbauten auf dem Tübinger Österberg

Die Verbindungshäuser und Villen auf dem vorderen Österberg sollen durch eine Erhaltungssatzung bewahrt bleiben.

04.08.2019

Von Sabine Lohr

Es sind Häuser wie Burgen: Sie haben Türme und Erker, Gauben und Bögen. Manche sehen so wehrhaft aus, als müssten sie Raubritter und ihre Gefolge abhalten, andere wieder ähneln einer Kirche: Die Verbindungshäuser auf dem Österberg prägen das Stadtbild. Richtig alt sind sie nicht, das älteste Haus, das der „Rhenania“ wurde 1885 gebaut und 1910 erweitert. Davor gab es nur Gartenhäuser auf dem Österberg, vor allem aber Wein.

Nicht nur Verbindungen haben sich Anfang des 20. Jahrhunderts repräsentative Häuser auf dem Österberg gebaut, auch der eine oder andere Professor ließ sich nicht lumpen und zeigte seinen Wohlstand, indem er sich eine Villa in der Hauffstraße kaufte oder bauen ließ. Der Tübinger Architekt Gustav Stähle war eine gute Adresse: Er baute um 1910 auf eigene Kosten gleich vier geräumige Häuser in der Hauffstraße und verkaufte sie dann.

Viele der Verbindungshäuser und der Villen in der vorderen Stauffenbergstraße und in der Hauffstraße waren bisher nicht geschützt. Wozu das führen kann, zeigte sich vor zwei Jahren. Damals wurde das ehemalige Verbindungshaus Luginsland von den damaligen Besitzern, der Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal, verkauft. Der Käufer wollte das Haus abreißen und einen Neubau hinstellen. Flugs erließ die Stadtverwaltung eine Erhaltungssatzung für das Haus, die es rettete.

Inzwischen wurde diese Satzung erweitert und umfasst nun den ganzen vorderen Österberg: Von der Südseite der Hauffstraße bis hinunter vor die Häuser in der Gartenstraße. Im Osten endet der Geltungsbereich kurz nach Beginn der Schwabstraße. Im umrissenen Gebiet darf kein Haus abgerissen oder verändert werden, das das Stadtbild prägt oder das eine historische oder künstlerische Bedeutung hat. Auch neu gebaut werden darf nur unter erschwerten Bedingungen.

Sechs Kulturdenkmäler

26 Häuser umfasst das Gebiet, sechs davon sind Kulturdenkmäler – das Haus „Lichtenstein“ (Schwabstraße 6), das Haus „Rhenania“ (Stauffenbergstraße 4) mit seinem großen Park, das Haus „Ulmia“ (Stauffenbergstraße 10/1), das burgähnliche Haus „Hohenstaufia“(Stauffenbergstraße 12/1), die Villa in der Stauffenbergstraße 18 und das Haus „Normannia“ in der Stauffenbergstraße 21.

Das stattliche Wohnhaus mit dem großen hölzernen Balkon in der Hauffstraße 10 ist ein Kulturdenkmal-Prüffall. Es wurde 1904 für den Hofrat und Apotheker Johannes Schmid gebaut. Von 1921 bis 1935 wohnte dort der evangelische Kirchenmusiker und Pfarrer Richard Gölz, der wegen seiner oppositionellen Haltung zu den Nazis 1944 verhaftet wurde und ins Konzentrationslager kam. 1945 kam er dort frei und kehrte nach Wankheim zurück.

Von 1940 bis zu seinem Tod 1972 wohnte der Theologe Prof. Otto Bauernfeind in der geräumigen Villa, dem wegen seiner oppositionellen Haltung 1939 die Lehrererlaubnis entzogen wurde.

Im Werteplan sind acht weitere Häuser als erhaltenswert eingestuft. Darunter sind die vier Häuser des Architekten Gustav Stähle in der Hauffstraße 16 bis 22. In der Hauffstraße 23, ein ebenfalls erhaltenwertes Haus, lebte von 1910 bis 1926 der jüdische Physiker Hans Rosenberg. Im Garten seines Hauses betrieb er eine private Sternwarte. Rosenberg stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Berliner Familie. Seine Cousine war Katia Mann, die Ehefrau von Thomas Mann. Nach der Machtergreifung der Nazis floh er mit seiner Familie nach Istanbul, wo er 1940 starb. Die Burschenschaft Arminia kaufte 1926 das Haus in der Hauffstraße und ließ einen Kneipsaal anbauen. In den frühen 1940er Jahren hatte die SS-Standarte Württemberg dort ihren Sitz. 1953 wurde in der Villa das Leibnizhaus eingerichtet.

Auch das Haus „Luginsland“ gilt als erhaltenswert. Und schließlich auch das Haus der Verbindung „Guestfalia“ in der Stauffenbergstraße 25, das 1902 gebaut wurde und vor allem wegen seines reich verzierten Wappenschildes an der Fassade an ein Schloss erinnert.

Die jüngeren Häuser gelten alle als „nicht erhaltenswert“. Das heißt nicht, dass sie ohne weiteres abgerissen werden können, aber sie zählen nicht zum stadtbildprägenden Charakter des vorderen Österbergs und sind deshalb nicht besonders geschützt. Alle erhaltenswerten Gebäude und alle Kulturdenkmäler haben große Grünflächen, die ebenfalls geschützt sind.

Die Erhaltungssatzung im Gemeinderat

Als das Thema im März im Gemeinderat diskutiert wurde, kritisierte die damalige Stadträtin Ingrid Fischer (CDU) die Erhaltungssatzung als „nicht zeitgemäß“ und plädierte dafür, „das eine oder andere Grundstück zu bebauen“. Und der Stadtrat der Linken Jan Bleckert fand, Verbindungen sollten ncht privilegiert bleiben. Ihm gefalle die inhaltliche Ausrichtung der Verbindungen nicht, weshalb auch er gegen die Satzung stimmte. Dafür holte er sich allerdings einen Rüffel von Oberbürgermeister Boris Palmer. Erstens handle es sich bei der Satzung im Sinne des Gesetzes um eine Benachteiligung, weil die Gärten nicht in Bauland umgewandelt werden dürfen. Und zweitens sei es nicht möglich, dass über Gesetze nach der politischen Ausrichtung entschieden wird. Das sei undemokratisch.