Landwirtschaft

Schulze sagt Genschere den Kampf an

Sollten mit Crispr/Cas veränderte Pflanzen so streng behandelt werden wie klassisch genmanipulierte? Das Umweltministerium positioniert sich gegen Empfehlungen vieler Experten.

28.04.2021

Von IGOR STEINLE

Noch klassisch verändert: Ein Maiskolben auf einem Versuchsfeld. Foto: Norbert Försterling/dpa

Noch klassisch verändert: Ein Maiskolben auf einem Versuchsfeld. Foto: Norbert Försterling/dpa

Berlin. Fast drei Jahre ist es her, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil über den Umgang mit der Genschere Crispr/Cas in der Landwirtschaft gefällt hat. Die neue Gentechnik müsse genauso streng reguliert und gekennzeichnet werden wie die alte, beschloss das Gericht. Seitdem plant die EU-Kommission, die Gesetzgebung zu ändern, um den Gebrauch moderner Gentechnik in der Landwirtschaft zu vereinfachen. Für Freitag wird eine von ihr in Auftrag gegebene Studie erwartet, die die Debatte darüber in Gang bringen soll.

Das Bundesumweltministerium ist deswegen vorgeprescht und hat sich als erstes Ressort in Deutschland in der Angelegenheit positioniert. „Ich sehe aktuell mit Befremden, dass es Bestrebungen gibt, neue Gentechnik umzudefinieren“, sagte Ministerin Svenja Schulze (SPD). Auch neue Gentechnik sei Gentechnik, weswegen jedes gentechnisch veränderte Produkt auch weiterhin auf sein Risiko geprüft und gekennzeichnet werden müsse. „Denn was einmal in die Umwelt gelangt ist, ist nie wieder rückholbar“, so Schulze. Zudem müsse gewährleistet sein, dass Konsumenten wählen können, „ob sie Gentechnik auf ihrem Tisch haben möchten oder nicht“.

Beifall von Kirchen und Ökolobby

Mit dieser Haltung erntet Schulze viel Zuspruch aus dem Ökolandbau, Kirchen und Naturschützern, die jüngst in einem von 94 Organisationen unterzeichneten Papier vor einer lascheren Regulierung neuer Gentechnik warnten. Von wissenschaftlicher Seite jedoch kommt vor allem Gegenwind.

So empfiehlt die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina, mit dem „Genome-Editing“-Verfahren bearbeitete Pflanzen ohne Sicherheitsprüfung zuzulassen und nicht als Gentechnik zu kennzeichnen, sofern keine artfremden Informationen ins Genom eingeführt wurden und die Veränderung auch mit konventionellen Methoden hergestellt worden sein könnte.

Denn genau das sehen Befürworter als Vorteil der neuen Technologie: Während bei klassischer Züchtung unter anderem mithilfe von Chemie oder radioaktiver Strahlung eine Vielzahl von Orten im Erbgut unkontrolliert verändert werden, gelingt dies mit Crispr/Cas präziser und vor allem schneller. Selbst Experten können mit der Genschere veränderte Pflanzen kaum von konventionell manipulierten unterscheiden, weswegen viele Wissenschaftler keinen Grund sehen, mithilfe von moderner Gentechnik hergestellte Nahrung speziell auszuzeichnen.

Sollte die Kennzeichnungspflicht beibehalten werden, hätte die neue Methode wohl wenig Chancen auf dem Markt, warnen Freunde der Technologie. Denn obwohl keine gesundheitlichen Risiken nachgewiesen werden können, greifen Kunden nur ungern bei Eiern, Milch oder Fleisch mit Gentechnik-Verweis zu. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, sieht die Debatte deswegen „mit großer Sorge“. „Unsere Bauern brauchen dringend neue Züchtungstechniken, um schnell widerstandsfähigere Kulturpflanzen zu erhalten“, sagt er. So könnte dem Klimawandel und dem „wachsenden Schädlingsdruck“ schneller begegnet werden. Auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln könnte mit der neuen Gentechnik verringert werden, da Pflanzen sich selbst gegen Krankheiten und Schädlinge schützen könnten. „Wir sollten hier stärker auf die Wissenschaft hören und weniger idiologisch argumentieren“, so Krüsken. Ein internationales Forscherteam der Unis Bayreuth und Göttingen stellte sich jüngst mit einer Studie auf seine Seite, in der es hieß, mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft sei nur mit der Genschere zu erreichen. Auch aus Julia Klöckners (CDU) Landwirtschaftsministerium heißt es deswegen, Schulze mache es sich zu leicht.

Schulze ließen die Einwände unbeeindruckt. Sie verweist darauf, dass es sich um eine junge und nicht ausgeforschte Technik handele, wie Genscherenversuche an Rindern in den USA zeigten. Die seien unbeabsichtigt antibiotikaresistent geworden.