Doping bei Olympia

Schon der zweite Läufer-Weltrekord in Rio – Van Niekerk: „Ich bin sauber“

Das Thema Doping überschattet die Sommerspiele in Rio de Janeiro. Ausgerechnet da feiern die Leichtathleten jetzt schon den zweiten Lauf-Weltrekord.

16.08.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Den 17 Jahre alten Weltrekord gebrochen: Der Südafrikaner Wayde van Niekerk ist der schnellste Mann über die Stadionrunde. Foto: Imago

Den 17 Jahre alten Weltrekord gebrochen: Der Südafrikaner Wayde van Niekerk ist der schnellste Mann über die Stadionrunde. Foto: Imago

Rio de Janeiro. Pulverisieren – das Wort findet gerne Verwendung, wenn Weltrekorde spektakulär gebrochen werden. Im Olympiastadion von Rio ist das jetzt schon zum zweiten Mal der Fall: Erst „pulverisierte“ die Äthiopierin Almaz Ayana zum Auftakt der Leichtathletik-Wettbewerbe die schon seinerzeit bei der WM 1993 in Stuttgart kritisch beäugte Bestmarke der Chinesin Wang Junxia über 10 000 Meter gleich um 14 Sekunden. Nur drei Tage später die nächste unglaubliche Überraschung: Grenadas 400-Meter-Held Kirani James und US-Sprinter LaShawn Merritt wirkten wie Statisten, als der Südafrikaner Wayde van Niekerk auf den letzten 100 Metern der Stadionrunde den Turbo zündete und mit sieben Metern Vorsprung in der Weltrekordzeit von 43,03 Sekunden ins Ziel stürmte. James (43,76) und Merritt (43,85) staunten ebenso wie US-Star Michael Johnson, dem als TV-Kommentator fast das Mikro aus der Hand gefallen wäre. Van Niekerk ist es, der Johnson die bisherige Bestzeit aus dem Jahr 1999 (43,19) entrissen hat. „So etwas habe ich noch nie gesehen. Nicht auf den 200 Metern und nicht auf den 400 Metern“, sagte der 48-Jährige.

Die 400 Meter waren das vorletzte Rennen. Das große Finale dieses Abends gehörte Usain Bolt, der seine gewohnte Show abzog. Im Halbfinale hatte er sich, wieder einmal, provozierend nach hinten umgeschaut, vor dem 100-Meter-Endlauf noch alle Zeit für seine Spaß-Pantomime. Aus dem Startblock kam der 29-Jährige wieder einmal schwach, rollte das Feld aber von hinten auf. So feierte Bolt in 9,81 Sekunden (weit entfernt von seinen 9,58) den dritten Olympiasieg in Serie und ließ sich feiern. Ex-Doper Justin Gatlin aus den USA wurde in 9,89 Zweiter, der Kanadier Andre De Grasse in 9,91 Dritter.

Für den eigentlichen Diskussionsstoff aber sorgte Wayde van Niekerk. Nicht dass er Bolt die Show gestohlen hätte, denn er ist in der Weltklasse einer der ruhigen Vertreter und stiller Genießer. Nach dem erstaunlichen Sieg dankte er als sehr gläubiger Mensch wiederholt Gott für dieses sportliche Geschenk: Ich weiß, dass ich sauber bin“, sagte der 24-Jährige und gab allen Zweiflern mit auf den Weg: „Ich muss nicht für jeden ein Liebling sein. Ich konzentriere mich auf mich selbst, setze einen Fuß vor den anderen und danke Gott. Das ist das Talent, das er mir gegeben hat.“

Der Weltrekord über 400 Meter war 61 Jahre lang durchgehend in US-Besitz gewesen. Nun ist er in Kapstadt, Südafrika zu verorten. Wayde van Niekerk – nie gehört? Es ist nicht so, dass der 24-Jährige aus dem Nichts kommt wie Wang Junxia einst auf der so genannten Armee des berühmt-berüchtigten Trainers Ma Junren, der seine Athleten angeblich Schildkrötenblut einflößte, um sie noch schneller zu machen. Van Niekerk war bereits bei der WM 2015 in Peking Weltmeister geworden, allerdings ebenfalls etwas überraschend. Er war auch der erste Läufer aus Afrika gewesen, der die 44-Sekunden-Marke knackte und vergangene Saison schon bis auf drei Zehntelsekunden an Michael Johnsons „Fabelzeit“ herankam. Nach Almaz Ayanas 10 000-Meter-Weltrekord in Rio stellte sich heraus, dass die Äthiopierin im vergangenen Jahr kein einziges Mal bei einem Dopingtest war. Van Niekerk ist da bisher offenbar nichts vorzuwerfen. Dennoch ist auch seine Zeit so unglaublich, dass Verdachtsmomente naheliegen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann hat jetzt in Rio kritisiert, dass die olympischen Werte durch eine mangelhafte Anti-Doping-Politik stark gefährdet seien. „Das Niveau der Kontrollen in Deutschland, Skandinavien oder Kanada müsse „endlich auch ein Anspruch in anderen Ländern sein.“ Die Ansage dürfte gerade schwer überschaubaren Regionen wie der Karibik, Russland oder eben Afrika gegolten haben.