Sämtliche Vorwürfe bestätigt

Schöffengericht verurteilt Raser wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung

Es war ein reiner Indizienprozess, doch das Schöffengericht hatte letztlich keinerlei Zweifel an der Schuld des Hauptangeklagten: Der 28-jährige Reutlinger wurde unter anderem wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.

03.08.2016

Von Uschi Kurz

Symbolbild: liveostockimages - Fotolia

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Reutlingen. Nachdem im gestrigen zweiten Verhandlungstag als Zeugen noch ein Pizzabote und ein weiterer Polizeibeamter gehört worden waren, gelangte nicht nur Staatsanwalt Jan Vytlacil zu der Überzeugung, dass sich sämtliche Vorwürfe gegen die beiden Angeklagten vollumfänglich bestätigt hatten.

Wie berichtet, wurde dem Juniorchef eines Reutlinger Dienstleistungsunternehmens zur Last gelegt, sich am 12. Mai diesen Jahres einer Polizeikontrolle durch Flucht entzogen zu haben. Weil er sich aufgrund anderer Delikte bereits ein Fahrverbot eingehandelt hatte, raste er mit Vollgas Richtung Tübinger Vorstadt, wo er wohnt. Als ihm eine Polizeistreife den Weg abschnitt, setzte er kurz zurück, um sodann wieder Gas zu geben. Ein Polizeibeamter, der direkt vor dem Auto stand, konnte sich nur durch einen beherzten Sprung zur Seite retten. Sonst, so hatte es ein Gutachter ausgesagt, hätte durchaus die Gefahr bestanden, dass er vom Fahrzeug des Angeklagten erfasst und unter Umständen überrollt worden wäre. Vytlacil: „Es hing nur vom Zufall ab, dass der Zeuge keine schweren Verletzungen davontrug.“

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, versuchte schwere Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt, lauteten die gravierendsten Vorwürfe. Der zusätzliche Anklagepunkt wegen Geldfälschung war letztlich so marginal, dass er sich nur noch wenig auf die Strafforderung auswirkte. Demnach soll der Juniorchef eines Reutlinger Dienstleistungsunternehmens zweimal mit einem falschen Fünfziger bei einem Pizzaservice bezahlt haben. Zudem soll ihn der zweite Angeklagte – ein ebenfalls 28-jähriger ehemaliger Schulkamerad – per Whatsapp dazu angestiftet haben, im Darknet gefälschte 20-Euro-Schein zu bestellen. Ob eine solche Lieferung je erfolgte, konnte freilich nicht mehr ermittelt werden.

Im Falle des Hauptangeklagten, der von seinem Schweigerecht Gebrauch machte, hielt der Staatsanwalt eine Gesamtstrafe in Höhe von drei Jahren und neun Monaten für angemessen. Ferner beantragte er ein zusätzliches Fahrverbot für fünf weitere Jahre. Für den zuvor gänzlich unbelasteten Ex-Freund forderte er eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden sollte.

Während der Staatsanwalt (und mit ihm das Schöffengericht) zu der Überzeugung gelangten, dass außer dem Juniorchef kein anderer männlicher Mitarbeiter zur Tatzeit als Fahrer in Frage kämen, versuchte Verteidiger Achim Unden die Indizienkette zu erschüttern. „Woher diese Gewissheit?“ bezweifelte er die Schuld seines Mandanten in Sachen Falschgeld. Auch als Täter des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sah er ihn keinesfalls überführt. Schließlich hätten ihn nicht einmal die beteiligten Polizeibeamten zweifelsfrei erkannt. Er beantragte deshalb Freispruch. Auf Freispruch plädierte auch Rechtsanwalt Rainer Speidel für seinen Mandanten, der seiner Meinung nach nur aus einer Bierlaune heraus den Freund im Chat aufgefordert habe, die Blüten im Internet zu bestellen. Das Schöffengericht hingegen sah die Anstiftung zu einer Straftat in einem minder schweren Fall als erwiesen an, beließ es bei dem 28-Jährigen aber bei einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 70 Euro.

Im Falle des Verkehrsrowdys verstand das Schöffengericht dagegen keinen Spaß. Es verurteilte den 28-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten sowie zu einem weiteren Fahrverbot von vier Jahren. Das Gericht, meinte Eberhard Hausch in seiner Urteilsverkündung, wisse durchaus, was ein Indizienprozess sei und habe auch schon den einen oder anderen Angeklagten freigesprochen. Im vorliegen Fall habe man aber „keinerlei Zweifel, dass das so gewesen ist“.

Info: Richter: Eberhard Hausch, Staatsanwalt: Jan Vytlacil, Verteidiger: Achim Unden, Rainer Speidel, Schöffen: Andrea Jaiser, Ute Seitz.