Angeblich direkt ins Feuer gelaufen

Schöffengericht: 44-Jähriger muss sich wegen Brandstiftung in Eningen verantworten

Wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung ist derzeit ein 44-Jähriger vor dem Schöffengericht Reutlingen angeklagt. Beim Prozessauftakt belastete er seinen Ex-Vermieter, für das Feuer verantwortlich zu sein.

08.12.2015

Von DOROTHEE HERMANN

Reutlingen/Eningen. In dem Prozess vor dem Schöffengericht Reutlingen geht es um den Brand im Gebäude Rathausplatz 3 in Eningen. In der Nacht auf den 4. November 2014 brannte das in Appartements aufgeteilte ehemalige Hotelgebäude so stark aus, dass es seither unbewohnbar ist. Nach dem Fund einer Plastikflasche mit Benzinresten ermittelte die Polizei wegen Brandstiftung (wir berichteten). Ein technischer Defekt wird ausgeschlossen.

Der Angeklagte, der selbst in dem Gebäude gewohnt hatte, war bei dem Brand am schwersten verletzt worden. Er sei direkt in das Feuer gelaufen, behauptete der Mann vor Gericht. Nach Angaben der Kriminalpolizei waren 60 Prozent seiner Hautoberfläche verbrannt. Auch das Gesicht und die Augen wurden geschädigt. „Meine Augen sind ganz schlecht“, sagte der Angeklagte auf eine Frage von Richter Eberhard Hausch. Rechts sehe er wie im Nebel, links ein bisschen besser. Nach mehrfachen Operationen kann sich der Mann noch immer nur mühsam bewegen. Er benötigt Spezialschuhe und eine Gehhilfe.

Der 44-Jährige gab an, in seinem Zimmer im Dachgeschoss durch Schreie geweckt worden zu sein. Als er ein paar Stufen hinabgegangen war, habe er unter sich schon Feuer gesehen. Er habe gedacht, das Feuer sei noch klein, und er könne sich hindurch retten. Der Brand war im ersten Obergeschoss ausgebrochen und hatte sich rasend schnell ausgebreitet. Er bestritt, etwas mit dem Brand zu tun zu haben. „Ich habe kein Auto. Ich brauche kein Benzin.“

Ein weiterer Hausbewohner konnte sich nur in Sicherheit bringen, weil er zurück in sein Zimmer flüchtete und von dort durch das Fenster ins Freie. Dennoch erlitt er Brandverletzung an beiden Beinen. Der Angeklagte habe den Tod des Mannes inkauf genommen, sagte Staatsanwalt Burkhard Werner.

Streit habe es im Haus nicht gegeben, so der Angeklagte. Andererseits sagte er, jeder sei für sich geblieben. Man habe nichts geteilt. „Jeden hat nur interessiert, für die Familien zuhause das Brot zu verdienen.“

Ein Fluchtweg-Plan soll gefehlt haben

Das Gebäude sei in einem schlechten Zustand gewesen, behauptete der Angeklagte. Es habe hineingeregnet. Der Hauseigentümer habe es abreißen lassen wollen, aber keine Genehmigung dafür erhalten. Angeblich soll er die Absicht geäußert haben, das Haus abzubrennen.

Immer wieder schweifte der Mann ab oder verlor sich in einem Wortschwall, machte jedoch auch präzise Feststellungen: In dem Gebäude habe es keinen Fluchtweg-Plan für Notfälle gegeben, sagte er. Über seine Bekleidung in der Brandnacht gab er zunächst an, eine kurze Jeans und ein T-Shirt getragen zu haben. Er schilderte, wie er die Hosenbeine eigenhändig abgeschnitten hatte – bis ein Kriminalbeamter berichtete, Rettungskräfte hätten den Mann mit einer langen (Jogging-)Hose bekleidet angetroffen. Darauf sagte der Angeklagte: „Ich weiß es nicht. Wenn ich ehrlich bin: Ich weiß es nicht.“

Nach Erkenntnissen der Polizei lebten acht Personen in dem Haus. Der Angeklagte sprach von mindestens 20 Bewohnern. Eine von ihnen war hochschwanger.

Der Prozess wird am Montag, 21. Dezember, fortgesetzt. Dann will das Gericht weitere Hausbewohner, den Vermieter sowie eine Gutachterin des Landeskriminalamts befragen. Sie könnte belegen, ob ein Unterhemd mit Benzinspuren dem Angeklagten gehörte.

Info: Richter am Amtsgericht: Eberhard Hausch. Schöffen: Eckhard Hennenlotter, Gisela Wörz. Staatsanwalt: Burkhard Werner. Verteidiger: Mesut Gülveren. Gutachterin: Dr. Maria-Christine Schieffer.