Drei Wochen zu Fuß unterwegs

Schnee im Juli: Claudia und Jürgen Machann aus Mössingen haben zu Fuß die Alpen überquert

Mehr als drei Wochen lang marschierten Claudia und Jürgen Machann im Juli am Stück, um die Alpen zu überqueren. Das einfache Leben während der Wanderung empfand das Mössinger Paar als Bereicherung.

23.08.2016

Von Amancay Kappeller

Claudia und Jürgen Machann vor der Lamsenjochhütte im Karwendel-Gebirge: Auf die Alpen-Tour haben sie sich lange und intensiv vorbereitet. Bild: Machann

Claudia und Jürgen Machann vor der Lamsenjochhütte im Karwendel-Gebirge: Auf die Alpen-Tour haben sie sich lange und intensiv vorbereitet. Bild: Machann

Mössingen. Gewandert sind Claudia und Jürgen Machann, beide 49, schon immer gerne: Früher mit den Eltern, seit vielen Jahren nun zusammen. Im vergangenen Jahr sahen sich die Mössinger im Kino eine Dokumentation über eine Alpenüberquerung an. „Da war gleich klar: Das ist was für uns“, blickt das Paar zurück. Zur Vorbereitung auf den Trip zu Fuß waren Claudia und Jürgen Machann viel mit Schneeschuhen im Schwarzwald und in Vorarlberg unterwegs. „Wir sind nicht mehr viel, sondern sehr viel gewandert“, erzählt Jürgen Machann. „Wir wussten, unsere Körper sind gut trainiert“, ergänzt Claudia Machann. „Die Idee kam nicht vom Sofa weg.“

Im Mai absolvierten die Mössinger, die sich beide seit mehr als dreißig Jahren im Musikverein Mössingen engagieren, ein Probetraining im Schwarzwald: Wandern mit vollem Gepäck, also einem zehn bis zwölf Kilo schweren Rucksack auf dem Rücken. Im Juli starteten sie schließlich die Alpenüberquerung. Das Paar hatte sich eine konditionell recht anspruchsvolle Route ausgeguckt, die weniger begangen wird als andere Strecken – „von München an den Gardasee“. Die erste Strecke an der Isar entlang sparten sich Claudia und Jürgen Machann. Sie stiegen kurz nach Bad Tölz in ihr ganz persönliches Wanderabenteuer ein. 24 Tage und knapp 400 Kilometer später erreichten die Machanns das Nordufer des Gardasees. Der Tourismus dort war nach der Ruhe in den Bergen schon ein kleiner Kulturschock. Über 20 000 Höhenmeter hatten die Mössinger bewältigt – immer wieder auf und ab. Jeden Tag liefen sie zwischen sechs und elf Stunden. Klettersteige ließen Jürgen und Claudia Machann aus, weil sie nicht ausreichend Erfahrung damit haben.

Mit dem Wetter hatte das Paar Glück, es regnete nur an zwei Tagen. Und auch Blasen haben sie keine bekommen – denn nie würden sie mit nicht eingelaufenen Schuhen losziehen. Zu kämpfen hatten Jürgen und Claudia Machann aber mit extremen Temperaturunterschieden: Deutliche Minusgrade herrschten teilweise in den Bergen, während es etwa in den Apfelplantagen des Etsch- und Nonstales fast 40 Grad hatte. Bis auf 3000 Meter stiegen die Machanns auf und passierten dabei auch tückische Schneefelder, auf denen die Gefahr besteht, einzubrechen. „Man muss schon bei jedem Schritt konzentriert sein“, erzählt Claudia Machann. Kritisch war der Abstieg über steile Schneefelder, bei dem man auch noch einen tosenden Gebirgsbach queren musste – ohne Brücke. Einen richtigen Wanderweg gab es meist nicht, man marschierte zum großen Teil über Fels und Geröll. Wegmarkierungen waren nicht immer leicht auszumachen. „Eine gute Selbsteinschätzung ist auf jeden Fall wichtig“, sagt die 49-Jährige. „Respekt vor dem Berg muss man schon mitbringen“, findet Jürgen Machann. Nützliche Tipps gäben auch immer die Hüttenwirte.

Die Mössinger liefen von Hütte zu Hütte und übernachteten auf Almen. Ganz unterschiedliche Nachtlager fanden sie auf ihrer Wanderung vor: vom komfortableren Zweibettzimmer bis hin zum recht einfachen 20-Bett-Lager. Besonders beeindruckt waren Claudia und Jürgen Machann vom Leben der Leute, die die Almen bewirtschaften: „Wie wenig sie haben und was für eine Zufriedenheit sie ausstrahlen“, beschreibt Claudia Machann, was sie erlebt hat. Ganz besonders gut hat es dem Paar in der Region Brenta in den Dolomiten gefallen. Dort wurde in „Malga Spora“ im Biwak genächtigt, es gab keinen Strom und kein fließendes Wasser. „Man muss schon bissle improvisieren“, sagt Claudia Machann. Aber gerade darauf hatte sich das Ehepaar gefreut: auf das einfache Leben, auf die Ruhe in den Bergen. „Es war uns wichtig, runterzukommen vom alltäglichen Stress“, erklärt Jürgen Machann. Als sehr wertvoll empfanden die Mössinger ihren Trip zu Fuß: Nichts tun zu müssen, außer zu laufen. „Einfach abschalten zu können“, so Claudia Machann. Gefehlt hat der Medizinischen Fachangestellten und dem Physiker in diesen Wanderwochen nichts. „Aber man darf halt auch keine hohen Ansprüche haben“, weiß Claudia Machann. „Man ist viel allein und hat viel Ruhe. Aber man muss sich auch drauf einlassen können, dann profitiert man schnell davon.“ Wichtig war auf der Tour auch, reichlich zu essen. Denn beim Wandern werden massenhaft Kalorien verbraucht. Ihre Trinkflaschen füllten die Mössinger zwischendurch auch schon mal an Gebirgsbächen oder Brunnen auf.

Viele Alpenzüge und viele Täler passierte das Paar auf seinem Weg. „Jede Region hat ihr eigenes Flair“, findet Jürgen Machann. „Die Dolomiten, das war schon klasse“, berichtet der 49-Jährige. Als die Mössinger unterwegs waren, war gerade die Alpenrosenblüte in vollem Gange. Am Latzfonser Kreuz genossen die Machanns den grandiosen Ausblick auf die Dolomiten, eine kleine Kirche im Vordergrund. Dort wurde auch übernachtet, „und abends standen die Esel im Flur“. Über 100 Steinfiguren begegneten den Mössingern bei den „Stoanernen Mandln“, den „Steinernen Männchen“, einer Sehenswürdigkeit in Südtirol. „Da ist das ganze Gipfelblatt voll mit Steinhaufen“, beschreibt Jürgen Machann. Viele, die vorbeikommen, legen Steine dazu.

Von ihrem Alpentrip werden sie noch lange zehren, davon sind Claudia und Jürgen Machann überzeugt: Denn es war für sie ein unvergessliches Erlebnis. Gerne denken sie schon jetzt zurück an „intensive Begegnungen mit tollen Menschen, eine traumhafte Tier- und Pflanzenwelt und an Ausblicke auf mächtige Gipfel vom Karwendel bis in die Brenta“. Eine Menge Fotos haben sie geschossen: von abenteuerlichen Auf- und Abstiegen, Übernachtungsstationen, Mitwanderern, aber auch von Steinböcken, Gemsen und Murmeltieren. Erinnerungen an die „Tour fürs Leben“, wie es einer der beiden erwachsenen Söhne des Paars formulierte. Aktivurlaub möchten die Machanns auch künftig machen - „solange es uns möglich ist“. Gerade in Europa gebe es noch viel zu sehen. „Eine kleinere Tour auf den Karwendel“ ist in diesem Jahr wahrscheinlich noch drin.

Der Große Ahornboden im nördlichen Karwendel – etwa 2500 knorrige Ahornbäume prägen das Bild dieses Naturdenkmals. Bild: Machann

Der Große Ahornboden im nördlichen Karwendel – etwa 2500 knorrige Ahornbäume prägen das Bild dieses Naturdenkmals. Bild: Machann

Eingebrochen: Bei der Begehung der Schneefelder steht man von einem Schritt auf den anderen eine Etage tiefer. Bild: Machann

Eingebrochen: Bei der Begehung der Schneefelder steht man von einem Schritt auf den anderen eine Etage tiefer. Bild: Machann

Aufsteig zur Alpeiner Scharte, dem höchsten Punkt der Tour, vor der Kulisse der Tuxer Alpen. Bild: Machann

Aufsteig zur Alpeiner Scharte, dem höchsten Punkt der Tour, vor der Kulisse der Tuxer Alpen. Bild: Machann

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Erstellt:
23.08.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 53sec
zuletzt aktualisiert: 23.08.2016, 01:00 Uhr

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