Insolvenz

Schlecker-Kinder auf freiem Fuß

Die Erben des früheren Drogeriemarkt-Königs Anton Schlecker haben zwei Drittel ihrer Haftstrafe verbüßt. Das Verfahren ist damit strafrechtlich abgeschlossen.

19.06.2021

Von TANJA WOLTER

Die rechtskräftig verurteilten Schlecker-Kinder Meike und Lars Schlecker. Foto: Fotos: dpa/Volkmar Könneke

Die rechtskräftig verurteilten Schlecker-Kinder Meike und Lars Schlecker. Foto: Fotos: dpa/Volkmar Könneke

Berlin/Stuttgart. Im Januar 2012 war das Imperium von Anton Schlecker mit einem großen Knall zusammengebrochen. Fast zehn Jahre später kann nun zumindest strafrechtlich ein Haken an die spektakuläre Pleite gemacht werden. Die Kinder des gefallenen Ehinger Drogeriemarkt-Königs, Lars und Meike Schlecker, befinden sich in Freiheit. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte der SÜDWEST PRESSE am Freitag, dass die zu Haftstrafen verurteilten Geschwister vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurden. Lars Schlecker sei bereits im März auf freien Fuß gekommen, seine Schwester im April. Beide waren im Zusammenhang mit der Schlecker-Pleite zu jeweils zwei Jahren und sieben Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden und saßen ihre Haft seit Sommer 2019 in Berliner Justizvollzugsanstalten ab.

Der Behördensprecherin zufolge hat eine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin die Haftstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Zur konkreten Begründung konnte sie keine Angaben machen und verwies auf die Berliner Justiz. Deren Sprecher erklärte, aus Datenschutzgründen keine Auskunft zu Gefangenen geben zu dürfen. Für eine vorzeitige Entlassung aus der Haft können verschiedene Kriterien herangezogen werden, etwa gutes Verhalten im Strafvollzug oder eine positive Sozialprognose.

Letztlich haben Lars und Meike Schlecker zwei Drittel ihrer Strafe abgesessen. Sie befanden sich allerdings im offenen Vollzug, konnten das Gefängnis also tagsüber verlassen. Meike Schlecker war im Frauengefängnis in Berlin-Reinickendorf untergebracht, ihr Bruder in der JVA Berlin-Hakenfelde, einer Strafanstalt für den offenen Vollzug. Laut „Berliner Zeitung“ hat Lars Schlecker tagsüber in einem Sozialkaufhaus gearbeitet und dort Möbel verkauft. In der Corona-Krise habe er seine Strafe zeitweise im „Langzeitausgang“ zuhause verbüßt.

Anton Schlecker hatte tausende Filialen in Dutzenden Ländern und bis zu 25?000 Mitarbeiter: Aus einem Metzgerladen in Ehingen (Alb-Donau-Kreis) schuf er ein wahres Drogerie-Imperium. Doch er und seine Erben sind letztlich tief gefallen: Während der Firmengründer Schlecker vom Landgericht Stuttgart zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde und sich hinter die hohen Mauern seiner Villa in Ehingen zurückgezogen hat, mussten seine Kinder ins Gefängnis.

Das Landgericht Stuttgart hatte die beiden 2017 wegen Untreue in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott, vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und Beihilfe verurteilt. Sie hatten sich unter anderem kurz vor der Insolvenz des Konzerns als Gesellschafter der Logistikfirma LDG noch Gewinne in Höhe von sieben Millionen Euro ausbezahlt. Dabei schrieb die LDG längst Verluste.

Die Revision von Meike und Lars Schlecker vor dem Bundesgerichtshof (BGH) scheiterte. Ledglich die Strafhöhe wurde leicht auf zwei Jahre und sieben Monate herabgesetzt. Das Landgericht Stuttgart hatte Lars Schlecker ursprünglich zu zwei Jahren und neun Monaten und seine Schwester zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Den beiden war in der schriftlichen Urteilsbegründung des Landgerichts attestiert worden, sie seien von „besonders großer Geldgier geprägt“ gewesen.

Strafmildernd auf das Urteil im Fall Schlecker hatte die erfolgte Schadenswidergutmachung gewirkt. Das veruntreute Geld bezahlte die Familie 2013 im Rahmen eines Vergleichs mit dem Insolvenzverwalter wieder zurück. Weitere vier Millionen überwies sie als „Schadenswiedergutmachung“.

Das Insolvenzverfahren dauert derzeit immer noch an, ein Ende ist nicht absehbar.

 



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Erstellt:
19.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 32sec
zuletzt aktualisiert: 19.06.2021, 06:00 Uhr

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