Gutenachtgeschichte

Schlagersängerin trifft auf Tübinger Rhetoriker

Der Lesesessel verabschiedete sich für dieses Jahr vor herbstlicher Kulisse in Obernau.

08.09.2017

Von Dunja Bernhard

Inka Frahm las bei der Gutenachtgeschichte in Obernau. Bild: Bernhard

Inka Frahm las bei der Gutenachtgeschichte in Obernau. Bild: Bernhard

Für die Obernauer war es eine Premiere. Zum ersten Mal in der über 15-jährigen Geschichte der „Gutenachtgeschichte unterwegs“ kam der rote Lesesessel des SCHWÄBISCHEN TAGBLATTS in ihren Flecken. Und mit ihm kamen rund 180 Zuhörer. Als Veranstalter war noch die Buchhandlung Osiander dabei. Moderiert wurde der Vorlese-Abend von TAGBLATT-Mitarbeiterin Dunja Bernhard.

Der Dorfplatz mit dem historischen Eselsturm und der Kirche St. Peter und Paul bietet an sich schon ein schönes Ambiente für einen Vorleseabend. Der Obernauer Ortschaftsrat hatte dem schon etwas in die Jahre gekommenen Lesesessel noch eine herbstliche Kulisse aus Strohballen und Kürbissen gebastelt.

Am frühen Abend hatte ein kräftiger Wind die letzten schwarzen Wolken vertrieben – und sich dann schlafen gelegt. Es blieb trocken. Doch mit der Dunkelheit kam die Kälte. Wohl dem, der eine dicke Jacke oder gar eine warme Decke dabei hatte. Für die musikalische Unterhaltung an diesem Abend sorgte der Shanty-Chor der Rottenburger Marinekameradschaft, und deren Programm ist bekanntlich lang. Dirigent Martin Dreiling, der auch Mitglied des Ortschaftrat ist, sei ein “Sohn der Gemeinde“, sagte der Vorsitzende der Marinekameradschaft Egon Ruf. Deshalb fühlten sich die Sänger in Obernau schon fast zuhause. Das Publikum klatschte gleich beim zweiten Lied „Nimm uns mit Kapitän auf die Reise“ kräftig mit.

„Obernau ist ein Ort, der gern Feste feiert“, sagte Ortsvorsteher Reinhard Buchholz. Mit der Gutenachtgeschichte sei nun ein weiteres kulturelles Ereignis hinzugekommen. Die weit verbreitete Annahme, dass immer weniger Bücher gelesen würden, lasse sich statistisch nicht belegen, so der Ortsvorsteher. Der Umsatz der Buchindustrie bleibe ungefähr gleich. „In meiner Jugend sind auch nicht alle mit einem Buch vor der Nase herum gelaufen.“

Als erste Leserin des Abends nahm die Rottenburgerin Inka Frahm auf dem Vorlesesessel Platz. Sie hatte das Buch „Café Hölderlin. Tübinger Stadtansichten von Lebenden, Toten und Scheintoten“ von Christian Hörburger mitgebracht. Der Autor lebt in Obernau. Doch das war nicht der Grund für ihre Wahl. Die frühere Buchhändlerin und Kulturredakteurin hatte die Texte korrekturgelesen. „Schon da sind mir die Geschichten ans Herz gewachsen“, verriet sie.

Hörburger nimmt die Region im Jahr 2035 ins Visier. In der Neckaraue zwischen Kiebingen und Wurmlingen fließt dann der Verkehr über den vierspurigen Autobahnzubringer (ehemals B28), und der dort beheimatete Airport Neckar Ammer wickelt den Verkehr des immer noch nicht fertiggestellten Bahnhofs Stuttgart21 ab. Muslimische Sicherheitsleute sorgen auf dem Flughafen für Ordnung. Im Duty-Free-Shop gibt es statt Alkohol Tee und Weihrauch. Nur an die Beschilderung in arabischer Sprache will sich die Bevölkerung nicht so recht gewöhnen.

In einer anderen Geschichte lässt Hörburger zwei Stars ganz unterschiedlicher Natur im Moos ansetzenden Tübinger Sparkassen-Carré aufeinander treffen: Den Altphilologen Walter Jens und die Sängerin Helene Fischer. Wie weit deren Horizonte auseinander liegen, zeichnet sich schon in der Maske ab, wo der senile Jens auf Frau Lenz, die Maskenbildnerin trifft. Helene tritt nur durch ihre Songtexte in Erscheinung – am Mittwoch von Inka Frahm im wunderbaren Singsang vorgetragen.

Ute Hartmann stellte in der zweiten Lesung die amüsante Seite des Krimis „Ostfriesentod“ von Klaus Peter Wolf vor. Die Leiterin der Obernauer Bücherei konzentrierte sich dabei auf die Darstellungen von Kommissar Rupert, der sich in „Ostfriesland richtig wohl fühlt“ und nicht merkt, wie er in diverse Fettnäpfchen tritt. Eben begeisterte er sich noch dafür, dass sich die Fenster des Intercitys öffnen lassen, im nächsten Moment wird ihm diese Erkenntnis zum Verhängnis. Warum der Kommissar anschließend die Nase voll von Softeis hat, wird hier nicht verraten.

In der Pause zwischen den Lesungen bewirtete der Ortschaftsrat mit belegten Brötchen und Getränken. Außerdem ging ein Spenden-Hut herum. Der Erlös aus beidem kommt dem Obernauer Bücherei-Team zugute. Es möchte einen Zeitschriften-Klappenschrank anschaffen. Im Hut kamen schließlich 350 Euro zusammen.

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Erstellt:
08.09.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 58sec
zuletzt aktualisiert: 08.09.2017, 01:00 Uhr

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