Kommentar · Doping

Schlag ins Gesicht

Wir sind doch alle eine große Familie, hört man von vielen Funktionären, welche die heile Welt des Sports propagieren – vom Fifa-Präsidenten Gianni Infantino bis zu IOC-Boss Thomas Bach.

21.09.2018

Von GEROLD KNEHR

Nur vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zu verstehen, die russische Anti-Doping-Agentur Rusada wieder in ihre Reihen aufzunehmen.

Übersetzt heißt das: Die sportliche Großmacht Russland, deren „saubere“ Athleten bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang nur unter neutraler Flagge antreten durften, ist wieder zurück in der globalen Sportwelt. Als habe es 2014 keine betrugsverseuchten Winterspiele in Sotschi gegeben. Als sei die Aufdeckung des Dopingskandals in der russischen Leichtathletik von Wada (!)-Ermittler Richard Pound nichts anderes als eine Fata Morgana gewesen.

Die gestrige Entscheidung der Wada kommt einem Freifahrtschein für Russland gleich. Sie fiel, obwohl das Putin-Reich entscheidende Bedingungen für die Rückkehr noch nicht erfüllt hat. Weder hat Russland den im Auftrag der Wada erstellten Report von Richard McLaren anerkannt, noch gewährt es Zugang zum Moskauer Analyselabor und den dort vorhandenen Daten und Dopingproben. Erst in einem Jahr dies geschehen.

Für diejenigen, die für einen sauberen Sport eintreten, und für die sauberen Athleten ist die gestrige Entscheidung ein Schlag ins Gesicht. Sie diskreditiert die Wada und auch die nationalen Behörden im Anti-Doping-Kampf. Und schadet nicht nur dem Sport, sondern der Gesellschaft insgesamt. Immer mehr setzt sich der Eindruck durch, dass auf Institutionen kein Verlass mehr ist, sei es im Sport, in der Wirtschaft, in der Politik. Das Volk schaut sprachlos zu – und ist von Fall zu Fall mehr verdrossen.