Grüne

Schiedsgerichtsvorschlag für ruhende Mitgliedschaft: Palmer bereit

Am Samstag wurde am Landesschiedsgericht der Grünen über den Antrag verhandelt, den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer aus der Partei auszuschließen. Es unterbreitete einen Vergleichsvorschlag: Palmer könnte die Mitgliedschaft bei den Grünen erst mal ruhen lassen. Der stimmte zu – die Position des Landesverbandes ist noch unklar.

23.04.2022

Von job

Rezzo Schlauch (links) und Tübingens OB Boris Palmer auf dem Weg zur Verhandlung des Landesschiedsgerichts der Grünen in der Geschäftsstelle in Stuttgart. Bild: Roland Hägele

Rezzo Schlauch (links) und Tübingens OB Boris Palmer auf dem Weg zur Verhandlung des Landesschiedsgerichts der Grünen in der Geschäftsstelle in Stuttgart. Bild: Roland Hägele

Wie der Landesverband der Grünen mitteilt, endete die erste Schiedsgerichtssitzung im Fall Boris Palmer wie erwartet nicht mit einer Entscheidung, sondern mit einem Vergleichsangebot an beide Seiten. Es sieht vor, dass Palmer seine Mitgliedschaft in der Partei bis Ende 2023 ruhen lassen soll.

Auf einem Landesparteitag hatten die Grünen vergangenes Jahr beschlossen, gegen Palmer ein Parteiordnungsverfahren einzuleiten. Der Vorwurf: Er habe sich durch wiederholte und kalkulierte Tabu-Brüche parteischädigend verhalten.

Besondere Empörung hatte Palmers Interview-Äußerung über die Corona-Schutzpolitik hervorgerufen. In einem Interview hatte er gesagt: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“ Unmittelbar vor dem Parteitag hatte er in einer Diskussion auf Facebook im Zusammenhang mit dem Fußballer Dennis Aogo ein rassistisches Wort benutzt.

Palmer weist den Vorwurf der Parteischädigung zurück. Erfordert eine starke und offene Streitkultur innerhalb der Partei.

Was das Landesschiedsgericht vorschlägt

Am Samstag nun war es zur nichtöffentlichen Anhörung vor dem Landesschiedsgericht der Partei in der Geschäftsstelle in Stuttgart gekommen. Das Gremium verhandelte insgesamt dreieinhalb Stunden mit den Beteiligten. Am Ende unterbreitete es beiden Seiten den folgenden Vorschlag:

1. Aufgrund verschiedener Verstöße des Antragsgegners gegen Grundsätze und Ordnung der Partei ruht dessen Mitgliedschaft bis zum 31.12.2023 (das bedeutet, dass er nicht für Parteiämter kandidieren oder an Abstimmungen teilnehmen darf).

2. Die Parteien verpflichten sich, im Jahr 2023 Gespräche darüber aufzunehmen, wie der Antragsgegner zukünftig kontroverse innerparteiliche Meinungen äußern könnte unter Beachtung der Grundsätze und Ordnung der Partei.

3. Damit ist das Verfahren erledigt.

Beide Seiten haben nun Zeit bis zum 16. Mai, um den Vergleich anzunehmen oder abzulehnen.

Palmer stimmte dem Vorschlag bereits zu

Palmers Rechtsbeistand Rezzo Schlauch erklärte im Anschluss auf TAGBLATT-Nachfrage, dem Vorschlag bereits in der Verhandlung im Namen Palmers zugestimmt zu haben – „und zwar ohne Vorbehalte“. Insgesamt sei das Verfahren durch das Schiedsgericht sehr gut vorbereitet und professionell geführt worden. „Es war eine sehr ernsthafte und gute Abklärung der gegenseitigen Positionen“ , so Schlauch weiter.

Palmer selbst kommentierte den Nachmittag in der Landesgeschäftsstelle auf seine Weise: Als er auf dem Rückweg mit Schlauch an einer Haltestelle ein Werbeplakat fürs Mineralbad Berg entdeckte, machte er ein gutgelauntes Selfie zu seinem neuen Facebook-Profilbild. Es trägt die Aufschrift: „Sie sagen, ich hätte mich verändert. Stimmt. Bin ruhiger, sanfter, schöner geworden.“

„Den Streit auf diese Weise zu beenden, scheint mir folglich sinnvoll.“

Am Sonntagmorgen äußerte er sich dann noch ausführlicher auf Facebook dazu und erklärte, warum er dem Vergleichsvorschlag bereits am Samstag in der Sitzung zugestimmt hat: „Winfried Kretschmann hat vor einigen Wochen gesagt, er sehe nicht, wer bei diesem Ausschlussverfahren etwas gewinnen solle. Das sehe ich auch so. Das Wesen eines Vergleichs ist, dass man sich nicht in vollem Umfang durchsetzt. Den Streit auf diese Weise zu beenden, scheint mir folglich sinnvoll.“