Tübingen

Scheiternder Ausbruch aus dem bürgerlichen Alltag

Die Aufführung von „The Addams Family“ – präsentiert von der Musical Academy Tübingen – war am Samstag voll ausgebucht.

22.05.2018

Von yer

Die Aufführung von „The Addams Family“ – präsentiert von der Musical Academy Tübingen – war am Samstag voll ausgebucht. Bild: Franke

Die Aufführung von „The Addams Family“ – präsentiert von der Musical Academy Tübingen – war am Samstag voll ausgebucht. Bild: Franke

Sie konfrontiert die idealtypische amerikanische Kleinfamilie Beinekes mit den morbiden Addams. Deren Tochter hat sich in den Beineke-Sohn Lukas verliebt. Im Gegensatz der beiden Familien steckt das zentrale Motiv des Stücks. Insbesondere Beineke Senior steht als mittlerweile asexueller Büromensch stellvertretend für die Tristesse des bürgerlichen Alltags und seiner Institutionen, der Lohnarbeit und der Ehe.

Die Addams hingegen sind spontan, verrückt, betont erotisch. Am Ende werden der Spießer und sein spießiger Sohn durch sie bekehrt. Das Erfolgsgeheimnis des Stücks liegt im Bedürfnis, die Distanziertheit und Kälte der bürgerlichen Welt jäh und willkürlich zu durchbrechen. Um es zu bedienen, wird der Sexualität eine subversive Rolle zugeschrieben, die sie längst verloren hat. Wenn die gelangweilte Gattin ihren Mann mit expliziter Bildersprache und Gestik daran erinnert, wie sie beide es früher vor lauter Begierde nicht mal mehr ins Schlafzimmer geschafft hätten, dann schockiert das im Publikum heute niemanden mehr – zuallerletzt den abgeklärten Spießbürger. Über erlahmende Libido in Beziehungen gibt es schließlich sozialwissenschaftliche Studien. Paartherapie dient als Gegenmittel.

Subversiv ist das nicht. Die Stärken des Musicals liegen in Witz, Musik, Tanz und Schauspiel. Dafür lohnt der Besuch im „Löwen“. Mit einem Beitrag zur Gesellschaftskritik sollte das Stück nicht verwechselt werden.