Hans Gmelin

Schauder und Scham

Die Tübinger Linke hat im Gemeinderat erneut beantragt, dem ehemaligen Tübinger Oberbürgermeister Hans Gmelin die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen.

09.01.2018

Von Jens Rüggeberg

Wieder ist ein Jahr zu Ende gegangen, in dem Hans Gmelin die Ehrenbürgerwürde nicht aberkannt wurde. Dabei ist dieser Akt schon lange überfällig. Malte Ludins Film über seinen Vater, den Nazibotschafter in der Slowakei, brachte Gmelin in Tübingen 2004 in die Diskussion, denn er war Ludins Adjutant in Bratislava gewesen. Schon damals wurde die Forderung erhoben, Gmelin aus der Ehrenbürgerliste zu streichen.

Seit 2011 liegt der Stadtverwaltung mein Aufsatz zu Gmelin vor, der inzwischen auf der Homepage der VVN-BdA Tübingen-Mössingen nachzulesen ist. Aber erst mit Gemeinderatsvorlage vom 29. Juni 2017 erklärte die Verwaltung Gmelin zum NS-Belasteten. Im Oktober 2017 nun erschien ein Buch von Professor Daniel Siemens (Universität Newcastle, früher Bielefeld) über die SA, in dem Gmelin ein kleines Kapitel gewidmet ist. Und Niklas Krawinkel hat jetzt noch vor Drucklegung seiner Dissertation einen Aufsatz über Gmelin veröffentlicht.

Gut, dass die Tübinger Linke im Gemeinderat erneut beantragt hat, Gmelin die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen, und dass die SPD dem Antrag anscheinend nicht (mehr) entgegentreten will. Die Frage bleibt aber, warum er überhaupt Ehrenbürger wurde. Denn schon unmittelbar nach Gmelins Wahl zum Oberbürgermeister hatte der Verleger Siebeck in einem Leserbrief geschrieben: „Herr Gmelin wird kaum behaupten können, daß ihm seine Tätigkeit in der Slowakei nicht Einblick in Dinge gewährt hätte, die heute jeden anständigen Deutschen mit Schauder und Scham erfüllen.“ (TAGBLATT, 30. Oktober 1954).