Feldlerche

Sänger im wuscheligen Daunenkleid

Die Feldlerche ist Vogel des Jahres. Eine gute Nachricht ist das aber nicht.

12.02.2019

Von Jürgen Jonas

Die Feldlerche steht vor einer unsicheren Zukunft. Archivbild: Rainer Sattler

Die Feldlerche steht vor einer unsicheren Zukunft. Archivbild: Rainer Sattler

In Shakespeares Drama möchte Julia ihren Romeo vom Abschied zurückhalten: „Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern. Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang.“ Tatsächlich aber war es die Tagverkünderin, als die die Lerche gilt. „Das war wohl eher eine Haubenlerche damals in Verona“, sagte Karl Haldenwang, als er Ende vergangener Woche in der Mössinger Geschäftsstelle des Nabu über den Vogel des Jahres 2019, die Feldlerche, referierte.

Die Auszeichnung hat sie nicht erhalten, weil sie so hübsch ausschaut mit ihrer schicken Federfrisur, sondern weil sie bedroht ist. Es braucht wirkungsvollen Schutz. Nicht nur rechtlich. In Deutschland darf sie seit 1888 nicht mehr verspeist werden, vorher galt sie als Leckerbissen, wie etwa in Italien und Frankreich bis heute. „Angeblich schmeckt sie sehr gut, im eigenen Fett oder in Butter gebraten“, sagt Haldenwang, der eine Fülle von Informationen ausbreitet. Die Feldlerche lebt gern in einer offenen, kleinteiligen Agrarlandschaft mit verschiedenen Früchten, auf dem Feldberg kommt sie noch vor, auf der Alb, im Neckartal. Auf Stoppelfeldern geht sie zu Fuß auf Nahrungssuche.

Ihre Sangeskünste sind betörend, die männlichen Vögel steigen über 150 Meter auf, immerfort singend. „Eine Höchstleistung“, nennt Haldenwang das: „Da muss man schon eine gute Lunge haben.“ Sie bringen den Weibchen einen trillernden Gesang dar. Auch die Weibchen singen, aber nicht in der Luft.

Feldlerchen sind in der Farbe ihres wuscheligen Daunenkleids dem Boden angepasst. Früher beobachtete Haldenwang das öfters, wenn die Tiere sich auf Feldwegen in ausgetrockneten Pfützen tummelten, um sich zu säubern. Heute regiert der Asphalt. Für den Naturschützer gilt die Regel: „Ein schlechter Weg ist fast ein Naturschutzgebiet.“ Da liegt ein Problem für die Feldlerche. Auf Farrenberg und Filsenberg, wo kein starker Graswuchs herrscht, kommt sie noch vor. Auf der Alb bei der Salmendinger Kapelle lebt sie, auf schütteren Äckern, wie es sie in den 50er Jahren gab. Gefährdet sei sie aber durch den Anbau von zu viel Wintergetreide und Mais, so Haldenwang, an Brutflächen mangle es und Pestizide seien schädlich.

Dieses Jahr ist entscheidend für die Zukunft des Vogels,“ sagt Haldenwang, für den Erhalt der Artenvielfalt ist ein Ende der verfehlten Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte unabdingbar. In Brüssel steht eine Reform der EU-Agrarrichtlinien an. Man müsse an die EU-Abgeordneten der Parteien herantreten, fordert Haldenwang: „Es ändert sich nichts, außer man kommt an die maßgebenden Personen heran.“

Die rund zwanzig Zuhörer diskutierten mit, sprachen über Glyphosat und Biogasflächen und den Verlust von Ackerflächen und „besten Böden“ durch Überbauung, auch in Mössingen und Umgebung. Am Ende gong es um die Zukunft der Erde überhaupt. An deren Schutz „mit diesen Köpfen obendran“ mag Haldenwang kaum noch glauben.

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Erstellt:
12.02.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 32sec
zuletzt aktualisiert: 12.02.2019, 01:00 Uhr

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