Stadtwerke im Mittelfeld

SWT-Geschäftsführer Achim Kötzle über Tarifvergleiche und Preistreiber für den Strom

Die Stadtwerke Tübingen (SWT) erhöhen zum 1. Januar die Strompreise um durchschnittlich 4 Prozent. „Spiegel online“ berichtete von einer Erhöhung um 6,6 Prozent – was allerdings nur für den SWT-Grundversorgungstarif gilt. Andere SWT-Tarife steigen weniger stark oder bleiben gleich.

03.12.2015

Von Volker Rekittke

Die Stadtwerke haben im Tübinger Stromgeschäft bei Privatkunden einen Anteil von 90 Prozent. Im Bild das SWT-Umspannwerk Großholz im Neckartal.Bild: SWT

Die Stadtwerke haben im Tübinger Stromgeschäft bei Privatkunden einen Anteil von 90 Prozent. Im Bild das SWT-Umspannwerk Großholz im Neckartal.Bild: SWT

Tübingen. „Die Strompreise steigen nicht stärker als von uns angekündigt“, sagt Achim Kötzle im TAGBLATT-Gespräch – also im Schnitt um 4 Prozent bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 3100 Kilowattstunden (beim „Spiegel online“-Vergleich waren es 4000 kWh). Auch beim bald einheitlichen Grundpreis von 102 Euro lägen die Stadtwerke beim Vergleich regionaler Stromanbieter im Mittelfeld, so der Geschäftsführer des Energiebereichs bei den Stadtwerken Tübingen (SWT). Die Spanne reiche von 91 Euro bei der Reutlinger Fairenergie bis 117 Euro bei den Rottenburger Stadtwerken.

Überhaupt seien zwei verschiedene Tarifstufen „ein Relikt“, die realen Fixkosten mit 117 Euro allein aus dem Netzbereich längst sehr viel höher als jene 71 Euro Grundpreis der zum 1. Januar 2016 abgeschafften Tarifstufe 1 (bei einem Verbrauch bis 3009 kWh). Selbst die bald einheitlich gültigen 102 Euro Grundpreis würden die bei den Stadtwerken anfallenden Kosten nicht decken, sagt Kötzle.

Preistreiber seien vor allem die steigenden Netzentgelte. 2016 müssen die Stadtwerke in ihrem eigenen Netz mit durchschnittlich 8 Prozent höheren Netznutzungsentgelten kalkulieren. Ein anderer Faktor für höhere Strompreise, auf den die Stadtwerke keinen Einfluss haben, ist die ständig steigende EEG-Umlage, die der Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien dient. An erster Stelle zahlen Privatkunden (sowie nicht befreite Firmen) die Umlage, die 2016 auf den Rekordwert von 6,4 Cent je Kilowattstunde klettern soll. Weitgehend befreit von der EEG-Umlage sind hingegen aktuell 2154 Unternehmen – darunter viele große Stromverbraucher wie ausgerechnet der (klimaschädliche) Braunkohletagebau von Vattenfall. Diese Firmen verbrauchen rund ein Fünftel des Stroms in Deutschland.

Kötzle kritisiert auch das „ungerechtfertigte Entgegenkommen“ von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gegenüber der Kohleindustrie. Auch hier müssen die Bürger ran – und die Entschädigungen von mindestens 1,6 Milliarden Euro zahlen, die die Energie-Konzerne RWE, Vattenfall und Mibrag für die schrittweise Abschaltung von acht besonders dreckigen Kohle-Kraftwerken erhalten.

Der im TAGBLATT zitierte bundesweite Strompreisvergleich von „Spiegel online“ ist für Kötzle wie ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen: „Spiegel online“ habe bei den SWT den Grundversorgungstarif ausgewählt, bei anderen Stromanbietern die oft günstigeren und meist online vertriebenen „Wettbewerbstarife“. Solch einen Tarif bieten auch die Stadtwerke an, den „TüStrom 2016“ (künftig „TüStrom Direkt“). Er steigt im Januar nicht an.

Die Stadtwerke haben sich die Mühe gemacht, alle in der Online-Tabelle als solche bezeichneten Grundversorgungstarife zu vergleichen. Nun sieht es anders aus: Die Spanne reicht laut Kötzle von 1042 bis 1458 Euro Gesamtkosten im Jahr (bei einem Verbrauch von 4000 kWh). Die SWT liegen demnach mit 1224 Euro pro Jahr ziemlich genau in der Mitte – und gehörten keinesfalls zu den drei teuersten Anbietern bundesweit. Zum Vergleich: Die EnBW verlangen 1243 Euro im Jahr.

Wie viele Stromabschaltungen gibt es bei Zahlungsverzug? „Wenn die technischen Voraussetzungen stimmen, versuchen wir es mit Payment-Zählern“, sagt Kötzle. Nur „in extremen Fällen“ werde ganz abgeschaltet. Gegenwärtig sind im Tübinger Stromnetz bei 86 Haushaltskunden und bei 13 Gewerbekunden jene speziellen Zähler eingebaut, die mit einer aufladbaren Chipkarte funktionieren. Problematisch: Anders als etwa bei Miete und Heizung müssen Hartz-IV-Bezieher den Strom selbst beim Versorger bezahlen. Und eben jene Hartz-Regelsätze für Strom seien „zu niedrig“, sagt Kötzle.

Alte und neue Tarife online

Im Stromgeschäft haben die Stadtwerke bei Privatkunden im Tübinger Stadtgebiet einen Anteil von 90 Prozent. Allerdings kommen mittlerweile schon die Hälfte aller privaten SWT-Stromkunden von außerhalb – die meisten aus der Region rund um Tübingen. Etwas anders sieht es bei den Tübinger Firmenkunden aus – hier haben die SWT einen Anteil von rund 70 Prozent.

Wer alte und neue SWT-Stromtarife vergleichen will, kann das auf der Internetseite www.swtue.de/tuestrom .

Dort sind auch die bisherigen Tarife verlinkt – und zwar unter: „Zu den Tarifen mit Gültigkeit bis 31.12.2015“.