CDU

SWP-Leitartikel: Grün, grüner, Strobl?

In fast schon atemberaubender Geschwindigkeit hat die CDU Baden-Württemberg nach der Wahlschlappe vor einem Monat alte Gewissheiten über Bord geworfen.

15.04.2021

Von ROLAND MUSCHEL

In den Sondierungsvereinbarungen mit den grünen Wahlgewinnern findet sich etwa die Ausdehnung der Fotovoltaikpflicht auf neue Wohngebäude, die die CDU noch vergangenes Jahr blockiert hat. Oder die Zielsetzung, bis 2026 im Staatswald und auf sonstigen Landesflächen bis zu 1000 neue Windkraftanlagen entstehen zu lassen. Den Ausbau der Windkraft im Staatswald hat die Südwest-CDU bislang nach Kräften gebremst. Nun sagt Landeschef Thomas Strobl, dass die Grünen beim Klimaschutz bei seiner Partei offene Türen eingerannt hätten. Für die Zielsetzung, Baden-Württemberg zu dem Klimaschutzland schlechthin zu formen, beansprucht er sogar das Copyright. Grün, grüner, Südwest-CDU?

Noch ist unklar, ob Strobl und sein Generalsekretär Manuel Hagel mit ihrer Revolution von oben die bis unteren Ebenen der Partei und bis in letzten Reihen der Fraktion hinein erfolgreich sein werden. Es ist ja noch nicht so lange her, dass sich gerade in Baden-Württemberg die Zukunftshoffnungen der christdemokratischen Basis wie auch zahlreicher Funktionäre auf Friedrich Merz konzentriert haben, der für vieles steht, aber sicher nicht für eine besonders ambitionierte Klimapolitik.

Doch nach der dritten Wahlschlappe in Folge scheint auch die Südwest-CDU, traditionell einer der konservativsten CDU-Landesverbände der Republik, zur Anerkennung gewandelter Realitäten bereit zu sein. Wenn selbst im früher pechschwarzen Oberschwaben inzwischen in vielen Kommunen die Grünen die größte Fraktion im Gemeinderat stellen, dann springen Analysen zu kurz, die die Schuld für den Niedergang an einzelnen Ereignissen oder Personen festmachen. Die CDU hat in den letzten Jahren nicht nur Sitze und Prozentpunkte verloren, sondern den Anschluss an das Lebensgefühl und die Lebenswirklichkeit vieler Menschen, die sie mal wie selbstverständlich gewählt haben. Der Niedergang birgt für Parteien immer die Gefahr, sich in die eigenen Echokammern zurückzuziehen, die Selbstbestätigung garantieren, dabei aber Abschottungstendenzen verstärken.

Die für das Selbstverständnis der Christdemokraten verstörende Gefahr, auf die Oppositionsbänke verbannt zu werden, hat den Weg für die von Strobl verordnete und im Sondierungspapier mit den Grünen auch in der gesellschaftspolitischen Fragen ausbuchstabierte Schocktherapie geebnet. Ob sie anschlägt, ob die Modernisierung der Partei nachhaltig sein wird, ist indes offen. CSU-Regierungschef Markus Söder hat nach dem Erstarken der Grünen in Bayern 2018 bereits einen ähnlichen Kurswechsel vollzogen, auf die Umfragewerte und sein Image hat das positiv eingezahlt. Söder agiert aber aus einer Position der Stärke, Strobl als Juniorpartner der Grünen. Der CDU-Landeschef wird daher bis zum Abschluss eines Koalitionsvertrags auch noch ein paar genuin schwarze Vorhaben vorweisen müssen, um die eigene Basis nicht zu überfordern.

leitartikel@swp.de

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Erstellt:
15.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 15.04.2021, 06:00 Uhr

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