Bremen

Die SPD verliert ihr Kernland

Die Union wird im kleinsten Bundesland erstmals stärkste Partei. Die SPD wird abgestraft, hofft aber trotzdem, mit Rot-Rot-Grün an der Regierung zu bleiben.

27.05.2019

Von Dieter Keller/dpa

Strahlender Sieger: Der Spitzenkandidat der CDU, Carsten Meyer-Heder, lässt sich von seinen Anhängern nach der Bekanntgabe der ersten Prognosen feiern. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Strahlender Sieger: Der Spitzenkandidat der CDU, Carsten Meyer-Heder, lässt sich von seinen Anhängern nach der Bekanntgabe der ersten Prognosen feiern. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Bremen. Jubel bei der CDU, Grünen und Linken, betroffene Gesichter bei der SPD – die Reaktionen der Anhänger bei den Wahlpartys auf die ersten Prognosen Punkt 18 Uhr zeigten deutlich, wo Gewinner und Verlierer bei der Landtagswahl in Bremen zu finden sind. Eine historische Wahlschlappe für die Sozialdemokraten, die das kleinste Bundesland seit 73 Jahren regierten. Erstmals überholt von der CDU. Mancher hatte sich aber mehr erhofft.

Bei der CDU hatte Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder die Parole „30 Prozent plus x“ ausgegeben, was er mit etwa 26 Prozent deutlich verfehlte. Aber immerhin hatte der 58-jährige Software-Unternehmer Erfolg bei seiner großen Aufholjagd: Erst vor 14 Monaten war er als Quereinsteiger in die CDU eingetreten und postwendend zum Spitzenkandidaten gekürt worden. Pünktlich zur Wahl konnte der Zwei-Meter-Mann mit Glatze und Kinnbart in der Beliebtheit deutlich aufholen: 34 Prozent wollten ihn nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen lieber als Bürgermeister. Amtsinhaber Carsten Sieling hatte mit 45 Prozent eher knapp die Nase vorn.

Die SPD fiel in ihrem Kernland Bremen erstmals hinter die CDU, und sie konnte nur noch etwa ein Viertel der Wähler für sich einnehmen. Ihr Fraktionschef in der Bürgerschaft, Björn Tschöpe, machte dafür auch den bundesweiten Abwärtstrend der SPD verantwortlich. Zudem habe die SPD in Bremen in den vergangenen zehn Jahren einen harten Spar- und Konsolidierungskurs fahren müssen. „Das macht die Menschen nicht zufrieden.“ Die SPD habe es versäumt, früher mehr Geld in die Bildung zu investieren.

Grafik: SWP

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Bei diesem Thema fiel das Urteil der Bürger über die SPD nach einer Umfrage von Infratest Dimap besonders schlecht aus, ähnlich wie in der Wohnungs- und der Verkehrspolitik. Bremen belegt beim Pisa-Bildungstest recht konstant den letzten Platz.

Den Grünen dagegen wurden diese Problemfelder nicht übel genommen, obwohl sie seit zwölf Jahren mit in der Regierung sitzen. Sie holten deutlich auf und sind jetzt das Zünglein an der Waage. Denn zumindest die Prognosen deuteten an, dass es neben einer großen Koalition nur zwei Möglichkeiten gibt: Rot-Grün-Rot mit einer deutlich geschwächten SPD, aber erstarkten Grünen und Linken. Oder ein Jamaika-Bündnis unter Führung der CDU unter Meyer-Heder mit den Grünen und der FDP.

Die allerdings, und besonders ihre Spitzenkandidatin Lencke Steiner, sind bei den Grünen nicht wohl gelitten. Sie gelten ihnen als unseriös. Die Liberalen, die vor vier Jahren fast sensationell in die Bürgerschaft einziehen konnten, haben nichts dazugewonnen.

Sieling sprach von Verlusten in „schwieriger Größenordnung“. Der 60-Jährige hatte schon vor der Wahl eine Koalition mit der CDU kategorisch ausgeschlossen. Es werde nicht einmal Sondierungen geben. Die Union wolle kein soziales Bundesland Bremen. Für eine linke Koalition brauche die SPD aber einen klaren Regierungsauftrag, hatte er im Vorfeld gesagt. Ob sie den jetzt hat? Die Absage an die CDU hatte der Landesverband einstimmig beschlossen. Auch ein Bündnis mit der FDP hatte sie abgelehnt.

Fünf Stimmen hatte jeder

Alle Parteien mussten sich auf einen langen Abend einstellen. Denn das Wahlrecht in Bremen ist ungewöhnlich kompliziert: Da jeder der rund 477?000 Wahlberechtigten fünf Stimmen hat, die er frei zwischen den Parteien und Kandidaten verteilen kann, ist die Auszählung kompliziert. Zum Bundesland gehört nicht nur die Hansestadt, sondern auch das rund 60 Kilometer entfernte Bremerhaven. Es gibt zwar die Fünf-Prozent-Klausel. Um aber in die Bürgerschaft einzuziehen, reicht es, in einer der beiden Städte die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Das gelang wohl erneut der rechten Partei „Bürger in Wut“, die sich in Bremerhaven auf etwa neun Prozent steigerte und damit erneut einen Sitz in der Bürgerschaft eroberte.

Für die AfD verlief der Abend enttäuschend: Sie schaffte keine großen Gewinne, sondern wohl nur recht knapp den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde und damit den Wiedereinzug in die Bürgerschaft. Die Wahlbeteiligung stieg deutlich auf etwa 66 Prozent.