Soziales

Berliner Rambler-Studio: Rucksack für die Straße

Das Berliner Rambler-Studio ist Sozialberatungsstelle und Kreativ-Studio in einem. Obdachlose Menschen und Designer entwickeln dort einen Rucksack, der optimal an das Leben auf der Straße angepasst ist.

26.10.2021

Von Bettina Gabbe/epd

Der 29-jährige Peter lebt seit Jahren auf der Straße. Er hat am Design und der Herstellung des Rucksacks mitgearbeitet. Bild: epd

Der 29-jährige Peter lebt seit Jahren auf der Straße. Er hat am Design und der Herstellung des Rucksacks mitgearbeitet. Bild: epd

Berlin (epd). Peter hat Rückenschmerzen und braucht deshalb einen auf seine Maße verstellbaren Rucksack. Der junge Mann in schwarzem Kapuzenpulli und schwarzer Hose lebt seit Jahren auf der Straße. In Berlin half er nun, einen auf die Bedürfnisse von Obdachlosen zugeschnittenen Rucksack zu entwerfen. Das Rambler-Studio, eine Sozialeinrichtung der Diakonie für junge Wohnungslose im Szene-Viertel Friedrichshain, befragte zunächst Betroffene, was ihnen besonders wichtig sei. Wasserdicht, robust und vor allem leicht müsse er sein, habe die Antwort gelautet, berichtet die Designerin Lisa Steinert, die im Rambler-Studio als Kreativ-Coach arbeitet.

Auf dem großen Tisch in dem Ladengeschäft liegen Entwürfe – von den ersten Bleistiftskizzen bis zu am Computer immer wieder veränderten Modellen des Rucksacks. Im Fenster hängt ein buntes Herrenhemd, das Peter aus einem Bettlaken geschneidert hat, das er auf der Straße gefunden hat. Das Rambler-Studio bietet jungen Wohnungslosen nicht nur die Möglichkeit, einen Tee zu trinken, sich zu waschen oder sich über Unterstützungsangebote beraten zu lassen. Sie können auch zeichnen und nähen lernen sowie eigene Kleidungsstücke gestalten.

„Peter wusste vielleicht vorher nicht, dass er ein Herrenhemd nähen kann“, vermutet Anna Lederle, die Sprecherin der Jugendhilfedienste „Neue Chance“ der Diakonie, die das Rambler-Studio in Berlin betreiben. Das Hemd würde gut ins Schaufenster einer Berliner Vintage-Boutique passen. Was er in seinem eigens gestalteten Rucksack transportiert? „Kleidung, Essen, Telefon, eine Powerbank, Kabel und ein Zeichenbuch“, sagt Peter freundlich, aber wortkarg.

Stolz ist der knapp 30 Jahre alte Mann auf den Hüftgurt, den er für den Rucksack entwickelt hat: Dieser kann vollständig herausgezogen und als Bauchtasche für Wertsachen und Dokumente benutzt werden. „Man kann den Gürtel beim Schlafen am Körper tragen“, ergänzt Lederle. Obdachlose würden häufig bestohlen. Außerdem ist die Rückenlänge verstellbar, ein Reflektorband erhöht die Sichtbarkeit im Dunkeln, der Rucksack enthält ein Regen-Cape und einen Karabiner. „Ein richtiger Obdachloser hat Wohnzimmer, Küche und Bad dabei“, erklärt Rainer im Rambler-Studio. Der 62-Jährige lebte selbst einige Jahre auf der Straße. Der ­­Rucksack müsse über viele Außenbe­­festigungen verfügen: „Denn du hast Stiefel, Schuhe und Kochgeschirr außen dran, das darf nicht durch die Gegend baumeln, sagt er.

Die Entwicklung des Rucksacks diente unter anderem den Wohnungslosen dazu, Talente zu entdecken und dadurch deren Selbstvertrauen zu stärken. „Die Idee ist nicht, es den Leuten möglichst bequem zu machen und den Verbleib auf der Straße zu fördern“, sagt die Sprecherin der „Neuen Chance“ über das Projekt, einen auf die Bedürfnisse von Obdachlosen zugeschnittenen Rucksack zu entwerfen: „Sondern es geht darum, denjenigen ein niederschwelliges Angebot zu machen, die etwas an ihren Lebensumständen verändern möchten.“

Sponsoren gesucht

Eine kleine Stückzahl der Rucksäcke wurde handgenäht. Nun wollen die Verantwortlichen den Rucksack in größerer Stückzahl herstellen. Insgesamt sollen 3000 Rucksäcke produziert und kostenlos an Wohnungslose verteilt werden. Dazu sind Sponsoren notwendig, pro Rucksack wird mit 150 Euro kalkuliert.