Energie

Regierung will Stromkunden besser schützen

Weil angesichts gestiegener Einkaufspreise immer mehr Billiganbieter insolvent sind, landen die betroffenen Verbraucher beim jeweiligen Grundversorger. So mancher dieser Anbieter kassiert dabei kräftig ab.

21.01.2022

Von dpa

Strom kostet immer mehr. Verbraucherschützer wollen horrende Preise für Neukunden verhindern. Foto: Uli Deck/dpa

Strom kostet immer mehr. Verbraucherschützer wollen horrende Preise für Neukunden verhindern. Foto: Uli Deck/dpa

Zum Schutz vor extremen Preissprüngen beim Strom hat Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) die Prüfung neuer Regeln angekündigt: „Die Bundesregierung beobachtet das Verhalten der Marktakteure sehr genau und prüft mögliche regulatorische Schritte.“ Die Verbraucherzentralen verschickten bereits Abmahnungen. „Aktuell haben wir es mit Preisaufschlägen zu tun, die den Strompreis auf bis zu 90 Cent pro Kilowattstunde hochtreiben“, sagte Lemke. „Das ist in keiner Weise durch das Marktgeschehen zu rechtfertigen.“ Zuvor hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine Überprüfung des liberalisierten Gas- und Strommarktes angekündigt.

Hintergrund ist, dass viele Billiganbieter in Turbulenzen geraten sind und tausende Versorgungsverträge gekündigt haben. Angesichts gestiegener Börsenpreise für Strom und Gas können sie mangels langfristiger Verträge ihren Verpflichtungen oft nicht kostendeckend nachkommen. Der Energieexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Thomas Engelke: „Zahlreiche Strom- und Gasanbieter haben sich trotz vertraglicher Vereinbarungen aus dem Markt zurückgezogen und die Versorgung ihrer Kunden einseitig eingestellt.“

„Man muss über neue Regeln nachdenken“

Lemke betonte: „In letzter Zeit hat es massenhaft Kündigungen von Stromverträgen gegeben, die zum Teil offenbar rechtswidrig sind.“ Verbraucherzentralen informierten auf ihren Websites darüber umfassend und stellten auch Musterschreiben für Schadenersatzforderungen zur Verfügung. Leonhard Birnbaum, Vorstandschef des Energiekonzerns Eon, zeigte sich verärgert über das Verhalten der Stromdiscounter: „Sie haben den Grundversorgern, die nun die Belieferung sicherstellen, die Kunden hingeschmissen und sich aus der Verantwortung gestohlen.“ Oft müssten Bestandskunden für Neukunden draufzahlen. „Man muss über neue Regeln nachdenken, dass solch ein Verhalten im Sinne der Verbraucher nicht mehr möglich ist.“ Ein „gewisser Aufschlag“ für Neukunden ist nach Einschätzung Lemkes zu akzeptieren, wenn Verbraucher in die Ersatzversorgung beim Grundversorger fallen und dieser dann Strom kurzfristig teurer einkaufen muss. „Aber eine Verdreifachung oder ähnlich hohe Aufschläge halte ich für absolut unverhältnismäßig.“ Um mögliche regulatorische Schritte zu prüfen, „werden wir auch mit der Energiewirtschaft direkt sprechen“, sagte Lemke. „Wir werden nicht zulassen, dass es bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern abgeladen wird, wenn Billigstromanbieter in die Insolvenz gehen oder massenhaft Verträge kündigen.“

Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums hatte am Mittwoch erläutert: „Die Preissteigerung ist auf mehrere Komponenten zurückzuführen.“ So hingen die Strompreise neben den Beschaffungskosten beim Gas unter anderem von Netzentgelten und Stromsteuern ab. Man prüfe mögliche Änderungen. Es gebe noch keine Äußerungen darüber, an welchen Komponenten etwas getan werden müsse. Steuern und Abgaben seien nicht alleine das Thema.

Engelke forderte: „Nötig sind mehr Transparenz und eine stärkere Aufsicht.“ Er empfahl Verbrauchern, die beim automatischen Wechsel zum Grundversorger draufzahlen müssen, den Wechsel in einen günstigeren Tarif. „Das ist allerdings derzeit schwierig.“ Die Verbraucherzentralen böten Beratung an. „Hier geht es auch um mögliche Schadenersatzforderungen.“

Niemand muss im Dunkeln sitzen

Nach Auskunft der Verbraucherzentralen gibt es bundesweit inzwischen sieben Abmahnungen und eine Androhung wegen der Einstellung von Stromlieferungen, der Kündigung von Verträgen oder wegen extremer Preiserhöhungen – davon allein fünf in Nordrhein-Westfalen. Angst, im Dunkeln zu sitzen oder frieren zu müssen, muss allerdings niemand haben. Wenn Billiganbieter die Belieferung ihrer Kunden eingestellt haben, landen diese automatisch bei den Grundversorgern in der jeweiligen Kommune.