Ofterdingen · Amtsgericht

Radler zu Fall gebracht: Führerschein für halbes Jahr weg

Weil er einen Radfahrer im Dettinger Täle erst belehrte und dann zu Fall brachte, musste ein Autofahrer vor Gericht.

14.10.2019

Von Jonas Bleeser

Der Radweg zwischen Ofterdingen und Dettingen: Eigentlich müssen Radfahrer ihn benutzen, denn er gibt ein Schild, auf dem ein weißes Fahrrad auf blauem Grund zu sehen ist. Bild: Ulrich  Eisele

Der Radweg zwischen Ofterdingen und Dettingen: Eigentlich müssen Radfahrer ihn benutzen, denn er gibt ein Schild, auf dem ein weißes Fahrrad auf blauem Grund zu sehen ist. Bild: Ulrich Eisele

An einem Abend Ende Mai dieses Jahres machte sich ein Mann auf den Heimweg von Ofterdingen nach Rottenburg. Mit seinem Rennrad wählte er gegen 20 Uhr die Strecke durchs Dettinger Täle. Dort war auch ein 53-jähriger Ammerbucher mit seinem Auto unterwegs. Er sah den Radler und ärgerte sich, dass der auf der schmalen Straße mit ihren vielen Kurven fuhr, und nicht auf dem im Sommer 2018 freigegebenen Radweg daneben. Was dann folgte, sehen die Beteiligten im Rückblick sehr unterschiedlich. Sicher ist: Der Radler landete im Straßengraben, der Autofahrer wegen fahrlässiger Körperverletzung und Fahrerflucht vor Gericht.

Einig waren sich die beiden am Montag in der Verhandlung am Tübinger Amtsgericht darüber, dass der Autofahrer neben dem Radler herfuhr. „Ich habe ihm höflich erklärt, dass er doch da drüben fahren solle“, erklärte der angeklagte Autofahrer. „Sie haben mich richtig angeschrien und beschimpft“, hielt ihm der Radler als Zeuge entgegen. Er dagegen habe ruhig erklärt, dass der Radweg über weite Strecken nur geschottert sei, weshalb er dort mit den dünnen Rennrad-Reifen nicht fahren könne.

Der Radler stürzt, das teure Rennrad ist kaputt

Wie auch immer der Wortwechsel ablief: Am Ende touchierte der Wagen den Radfahrer, der stürzte in den Straßengraben. Dabei erlitt er leichte Verletzungen. Sein teures Carbon-Rad wurde so gestaucht, dass eine Reparatur für 775 Euro fällig war. Der Autofahrer kümmerte sich nicht um den Gestürzten, sondern fuhr weiter und hielt erst 1,5 Kilometer weiter an: „Ich hatte einen Schock.“ Dort wurde er von zwei Zeugen des Unfalls eingeholt, von denen einer Polizist ist. Sie brachten den 53-Jährigen dazu, mit zurück zur Unfallstelle zu kommen.

Der Radfahrer stellte keinen Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft aber sah ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Das Amtsgericht erließ einen Strafbefehl über 900 Euro und verhängte ein sechsmonatiges Fahrverbot.

Autofahrer: Radler im „rechtsfreien Raum“

Dagegen aber wehrte sich der Autofahrer: Er sah sich ungerecht behandelt. Denn zunächst einmal sei ja schließlich der Radler im Unrecht gewesen. Denn der war erstens ohne Lichtanlage am Rad unterwegs, und zweitens auch noch auf der Straße, wo er doch den ausgeschilderten Radweg hätte nutzen müssen. Seinen Eindruck vom Verhalten der Radfahrer im Allgemeinen (und am Gerichtsstandort Tübingen im Besonderen) fasste er so zusammen: „Die Radfahrer haben einen rechtsfreien Raum.“

Verkehrszeichen wie dieses weißen auf das Gebot hin, auf dem Radweg zu fahren. Bild: Erich Sommer

Verkehrszeichen wie dieses weißen auf das Gebot hin, auf dem Radweg zu fahren. Bild: Erich Sommer

„Der hätte da nicht fahren dürfen, da haben Sie völlig recht. Aber Sie sind nicht der Verkehrserzieher!“, hielt ihm Staatsanwältin Bettina Winckler entgegen. Der Angeklagte solle froh sein, dass man ihn nur wegen fahrlässiger Körperverletzung belangte: Sowohl der Radfahrer wie auch eine weitere Zeugin waren sich sicher, dass der Mann ihn mit Absicht abgedrängt hatte. „Da wäre auch ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr infrage gekommen, dann hätte man Ihnen die Fahrerlaubnis ganz entzogen.“

Sie beantragte ein Urteil in Höhe des Strafbefehls. Der Angeklagte bat um Milde: Er habe niemanden verletzen oder nötigen wollen. Er lebt von Harz IV und brauche das Auto für nötige Arztbesuche. Bezahlen könne er die Strafe nicht, höchstens absitzen: „Da können Sie gleich ein Zimmer in Rottenburg buchen.“

Allerdings gibt es auch Urteile, das Radler dem Radweggebot nicht folgen müssen, wenn der Zustand unzumutbar ist. Im Dettinger Täle sind weite Strecken des Radwegs nur geschottert, nicht asphaltiert. Für dünne Rennrad-Reifen kein guter Untergrund. Bild: Ulrich Eisele

Allerdings gibt es auch Urteile, das Radler dem Radweggebot nicht folgen müssen, wenn der Zustand unzumutbar ist. Im Dettinger Täle sind weite Strecken des Radwegs nur geschottert, nicht asphaltiert. Für dünne Rennrad-Reifen kein guter Untergrund. Bild: Ulrich Eisele

Richterin Anja Esperschidt verurteilte den Mann wegen fahrlässiger Körperverletzung und Fahrerflucht. Sie reduzierte die Tagessätze von 20 auf 15 Euro, so dass eine Geldstrafe von 675 Euro übrig blieb. Die könne der Arbeitslose durch gemeinnützige Arbeit abgelten.