Ofterdingen · Amtsgericht
Radler zu Fall gebracht: Führerschein für halbes Jahr weg
Weil er einen Radfahrer im Dettinger Täle erst belehrte und dann zu Fall brachte, musste ein Autofahrer vor Gericht.
Einig waren sich die beiden am Montag in der Verhandlung am Tübinger Amtsgericht darüber, dass der Autofahrer neben dem Radler herfuhr. „Ich habe ihm höflich erklärt, dass er doch da drüben fahren solle“, erklärte der angeklagte Autofahrer. „Sie haben mich richtig angeschrien und beschimpft“, hielt ihm der Radler als Zeuge entgegen. Er dagegen habe ruhig erklärt, dass der Radweg über weite Strecken nur geschottert sei, weshalb er dort mit den dünnen Rennrad-Reifen nicht fahren könne.
Der Radler stürzt, das teure Rennrad ist kaputt
Wie auch immer der Wortwechsel ablief: Am Ende touchierte der Wagen den Radfahrer, der stürzte in den Straßengraben. Dabei erlitt er leichte Verletzungen. Sein teures Carbon-Rad wurde so gestaucht, dass eine Reparatur für 775 Euro fällig war. Der Autofahrer kümmerte sich nicht um den Gestürzten, sondern fuhr weiter und hielt erst 1,5 Kilometer weiter an: „Ich hatte einen Schock.“ Dort wurde er von zwei Zeugen des Unfalls eingeholt, von denen einer Polizist ist. Sie brachten den 53-Jährigen dazu, mit zurück zur Unfallstelle zu kommen.
Der Radfahrer stellte keinen Strafantrag. Die Staatsanwaltschaft aber sah ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Das Amtsgericht erließ einen Strafbefehl über 900 Euro und verhängte ein sechsmonatiges Fahrverbot.
Autofahrer: Radler im „rechtsfreien Raum“
Dagegen aber wehrte sich der Autofahrer: Er sah sich ungerecht behandelt. Denn zunächst einmal sei ja schließlich der Radler im Unrecht gewesen. Denn der war erstens ohne Lichtanlage am Rad unterwegs, und zweitens auch noch auf der Straße, wo er doch den ausgeschilderten Radweg hätte nutzen müssen. Seinen Eindruck vom Verhalten der Radfahrer im Allgemeinen (und am Gerichtsstandort Tübingen im Besonderen) fasste er so zusammen: „Die Radfahrer haben einen rechtsfreien Raum.“
„Der hätte da nicht fahren dürfen, da haben Sie völlig recht. Aber Sie sind nicht der Verkehrserzieher!“, hielt ihm Staatsanwältin Bettina Winckler entgegen. Der Angeklagte solle froh sein, dass man ihn nur wegen fahrlässiger Körperverletzung belangte: Sowohl der Radfahrer wie auch eine weitere Zeugin waren sich sicher, dass der Mann ihn mit Absicht abgedrängt hatte. „Da wäre auch ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr infrage gekommen, dann hätte man Ihnen die Fahrerlaubnis ganz entzogen.“
Sie beantragte ein Urteil in Höhe des Strafbefehls. Der Angeklagte bat um Milde: Er habe niemanden verletzen oder nötigen wollen. Er lebt von Harz IV und brauche das Auto für nötige Arztbesuche. Bezahlen könne er die Strafe nicht, höchstens absitzen: „Da können Sie gleich ein Zimmer in Rottenburg buchen.“
Richterin Anja Esperschidt verurteilte den Mann wegen fahrlässiger Körperverletzung und Fahrerflucht. Sie reduzierte die Tagessätze von 20 auf 15 Euro, so dass eine Geldstrafe von 675 Euro übrig blieb. Die könne der Arbeitslose durch gemeinnützige Arbeit abgelten.