Ract-Veranstalter sehen keine Alternative zum Anlagenpark

Ract-Veranstalter möchten auf dem Gelände bleiben und bieten Hilfe bei den Reparaturarbeiten an

Bis Mittwoch waren sie mit dem Abbau beschäftigt. Jetzt haben sie zwei Tage lang die Hackschnitzel entfernt: Die Leute vom Organisationsteam des Ract-Festivals sind müde. Im TAGBLATT-Gespräch erklärten Christin Gumbinger, Simon Landwehr und Jonas Möschel gestern, warum sie weiterhin ihr alljährliches Jugendfestival im Anlagenpark veranstalten möchten.

11.06.2016

Von Christiane Hoyer

Helfer vom Ract-Festival harken seit zwei Tagen die Hackschnitzel aus dem Anlagenpark. Bild: Metz

Helfer vom Ract-Festival harken seit zwei Tagen die Hackschnitzel aus dem Anlagenpark. Bild: Metz

Tübingen. Am vergangenen Wochenende versanken nicht nur die Besucher vom „Rock am Ring“ im Schlamm. Auch beim zehnten Ract-Festival in Tübingen hinterließ der strömende Regen trotz Hackschnitzeln, die nochmals nachgelegt wurden, tiefe Schlammfurchen im Anlagenpark (wir berichteten). Besonders schlimm sieht‘s bei den Schulcontainern aus – dort hatten die Ract-Veranstalter die Bühne West aufgebaut. Und da tummelten sich die Leute. Auch das vierstündige Kinderfest litt unter dem Regen. „Die Kids haben Matschengel gemacht“, erzählt Jonas Möschel. Nach einer ersten Begehung mit der Stadtverwaltung war von einem Schaden in Höhe von 30 000 Euro die Rede. In Zukunft, so Oberbürgermeister Boris Palmer, könne das Ract-Festival nur noch bei schönem Wetter im Anlagenpark stattfinden.

Doch Christin Gumbinger, die seit dem ersten Ract-Festival 2006 dabei ist, und Simon Landwehr machen deutlich: Für zwei unterschiedliche Standorte „können wir unser Festival in der bisherigen Größe nicht parallel planen.“ Das Orgateam, zu dem zirka 40 Leute gehören, beginne bereits nach den Sommerferien mit den Vorplanungen. Und die Infrastruktur am Anlagenpark sei völlig anders als auf dem Festplatz. Sie halten daher Palmers Vorschlag für nicht machbar. Bei schlechtem Wetter, so der OB, solle Ract kurzfristig auf den Festplatz verlegt werden, bei schönem im Anlagenpark bleiben.

Der Festplatz kommt aus Sicht von Gumbinger, Landwehr und Möschel aus verschiedenen Gründen generell nicht in Frage: Auf dem Platz könne man wegen der Akustik höchstens eine große und eine kleine Bühne aufbauen. Das aber widerspricht aus ihrer Sicht dem Konzept des Festivals, auch kleinen, lokalen Bands eine Auftrittsplattform auf mehreren Bühnen bieten zu können. Gruppen wie „Suit Up“ haben erst durch Ract „einen Schub bekommen“ und wurden öffentlich bekannter, sagt Gumbinger. Schalltechnische Probleme gibt es außerdem auf dem Festplatz, wenn Konzerte zeitgleich mit Workshops stattfänden, sagt Landwehr. „Wir sind ja nicht nur ein Musikfestival“, so Möschel. Mit den Workshops, Podiumsdiskussionen und Infoständen wolle man junge Leute, die vorbeischauen, zum Verweilen anregen und ihr Interesse für politische Themen wecken. So sei das „Laufpublikum“ ein wichtiger Bestandteil von Ract. „Das macht auch unser Flair aus.“

In der Vergangenheit hatte das Orgateam gemeinsam mit dem städtischen Ordnungsamt bereits mehrere mögliche Festival-Standorte in Tübingen angeschaut – und kam doch immer wieder auf den Anlagenpark zurück. Einmalig stieg Ract 2010 auf dem Schiebeparkplatz der Uni in der Nauklerstraße. In Zukunft steht er dafür ohnehin nicht mehr zur Verfügung, weil dort gebaut wird. Auch der Platz vor der ehemaligen Thiepvalkaserne oder das Behördenviertel, wo Bob Dylan und Dieter Thomas Kuhn auftraten, kommen nicht in Frage – bei letzterem gibt es unter anderem ebenfalls Schallprobleme. „Da haben wir hinterher beim Aufräumen geholfen“, berichtet Landwehr. Auch sonst habe das Ract-Orgateam gerne seine Hilfe zur Verfügung gestellt. Nach den Abitursfeiern im Anlagenpark „haben wir jeden einzelnen Zigarettenstummel aus dem Gebüsch geholt“, sagt Landwehr. Und als der Anlagenpark vor zwei Jahren nach dem öffentlichen Fußball-WM-Gucken ebenfalls einer „Schlammwüste“ glich, haben die Ract-Veranstalter mit angepackt, damit das Rosenfest doch noch stattfinden konnte.

Kaltenmark: Sommerinsel

ist nicht gefährdet

Der Anlagenpark „hat seinen eigenen Charme“, sagt Gumbinger. Dass es dort mit Ract funktioniert, „haben wir in den letzten Jahren bewiesen“. Für Ract gebe es in Tübingen „keinen vergleichbaren Veranstaltungsort. Es wäre schade, wenn das in Zukunft wegen des Wetters scheitert.“ Bei einem Gespräch mit Rainer Kaltenmark vom Ordnungsamt haben die Leute vom Ract-Orga-Team auch jetzt ihre Hilfe im Anlagenpark angeboten. Im Laufe der kommenden Woche, so Kaltenmark, soll ein Sand-Split-Gemisch auf das verschlammte Gelände kommen. Die Sommerinsel Ende Juli könne „natürlich“ stattfinden – die Gastronomen belegen nur einen Teil des verunstalteten Ract-Festival-Geländes. Prinzipiell, so Kaltenmark, gebe es eben im Anlagenpark bereits eine Infrastruktur für Events. Im übrigen ist nächste Woche ein Gespräch zwischen OB, Ract-Orgateam und Ordnungsamt geplant.

Über Facebook machte Palmer klar: „Der Park wird jetzt für fast ein Jahr kaputt sein. Mit einmal Rasen säen ist es nicht getan. Jetzt müssen wir für die Zukunft überlegen.“ Auf dem Festplatz aber, sagen Landwehr und Gumbinger, wäre das nicht mehr das Ract-Festival, wie wir es uns vorstellen“. Sie sehen ihre Zukunft weiterhin auf dem „angestammten Gelände“ im Anlagenpark.Bilder: Sommer

Simon Landwehr

Simon Landwehr

Christin Gumbinger

Christin Gumbinger

Jonas Möschel

Jonas Möschel

Ract-Festival: Zahlen, Fakten

Ract ist ein Low-Budget-Festival. Es bekommt einen Jahreszuschuss des städtischen Kulturamts von 3000 Euro. Mitveranstalter sind der Studierendenrat, der 12 500 Euro einbringt, und der Kreisjugendring (er zahlt die Versicherungen und einen Zuschuss von insgesamt 5000 Euro). Trägerverein ist „Act!“. Das Orgateam besteht aus zirka 40 bis 60 Leuten, meist Schüler und Studierende. Ract ist auf Sponsoren und viele ehrenamtliche Helfer angewiesen.

Das erste Ract-Festival war 2006. Bis auf 2011, wo es ausfiel, fand es bisher neunmal im Anlagenpark statt, einmal auf dem Schiebeparkplatz in der Nauklerstraße.

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Erstellt:
11.06.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 11.06.2016, 01:00 Uhr

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