Medien-Diskussion beim Neujahrsempfang der Kammern

Qualität gegen Algorithmen

Beim Neujahrsempfang von IHK und Handwerkskammer lauschen 550 Gäste aus Politik und Wirtschaft vier Zeitungs-Chefs aus der Region.

23.01.2018

Von Kathrin Kammerer

Hochkarätig besetztes Podium zur Zukunft der Medien: (von links) Valdo Lehari junior (Generalanzeiger), Alexander Frate (TAGBLATT), Moderatorin Julia Bauer, Daniel Welte (Zollern-Alb-Kurier) und Thomas Brackvogel (Südwest Presse).Bild: Haas

Hochkarätig besetztes Podium zur Zukunft der Medien: (von links) Valdo Lehari junior (Generalanzeiger), Alexander Frate (TAGBLATT), Moderatorin Julia Bauer, Daniel Welte (Zollern-Alb-Kurier) und Thomas Brackvogel (Südwest Presse).Bild: Haas

Am Ende waren sich alle einig: Werden auch die Kinder der nächsten Generation noch die gedruckte Zeitung lesen, fragte Moderatorin Julia Bauer die vier Zeitungs-Chefs – und die antworteten geschlossenen mit: Ja!

Über die „Zukunft der regionalen Medien“ wurde gestern beim gemeinsamen Neujahrsempfang von IHK und Handwerkskammer in der Stadthalle diskutiert. Alexander Frate (SCHWÄBISCHES TAGBLATT), Valdo Lehari junior vom Reutlinger Generalanzeiger (GEA), Daniel Welte vom Zollern-Alb-Kurier (ZAK) und Thomas Brackvogel (Südwest Presse Ulm) stellten sich auf dem Podium geschlossen gegen das schon lange und vielfach prophezeite Sterben der insgesamt 312 regionalen Abo-Zeitungen in ganz Deutschland.

Wie sieht die Lokalzeitung der Zukunft aus? „Natürlich muss man auf Apps wie auf Webseiten setzen“, sagte ZAK-Chef Welte. „Aber ein großes Pfund bleibt bei der gedruckten Tageszeitung.“ Aber der Mensch nehme doch täglich 800 Werbebotschaften auf und gehe 1500 mal mit dem Smartphone online, stellte die Moderatorin in den Raum. Das sei kein Argument gegen die gedruckten Zeitungen, betonte Südwest-Presse-Geschäftsführer Brackvogel: „Denn fast alles, was auf Facebook zu finden ist, stammt ursprünglich von Zeitungen und ihren Webseiten.“

Außerdem dürften die Verleger in Zeiten wie diesen nicht den Fehler machen, sich selbst schlecht zu reden oder sich gegenseitig zu bekämpfen, betonte TAGBLATT-Geschäftsführer Frate. Da war er sich mit Brackvogel einig: Man müsse an das eigene Produkt glauben und die Mitarbeiter wertschätzen, betonten beide. Welte vom ZAK ergänzte: „Die Leute müssen wieder erkennen, dass Qualitätsjournalismus Geld kostet, dass diese Wertschöpfungskette eben finanziert werden muss.“

Von Bloggern und Youtubern sieht TAGBLATT-Verleger Frate seine Zeitung nicht bedroht: „Das sind aufgehende Sterne, die auch schnell wieder verblassen.“ Auch Brackvogel verortete die größte Bedrohung nicht im Netz. Vielmehr nehme er eine generelle Bedrohung der Pressefreiheit wahr, da Journalisten und ihrer Arbeit immer weniger Wertschätzung entgegengebracht werde, so der Südwest-Presse-Chef. „Da teilen wir das Schicksal mit Lehrern und Politikern.“ Natürlich könne man die Google-Sprachsteuerung „Alexa“ fragen, was denn heute so los war in der Welt, fuhr Brackvogel fort. Ein generierter Algorithmus ersetze aber niemals die Qualität, die man mit einer Zeitung bekomme: „Wer nur googlet und nicht bereit ist, ein Feuilleton zu lesen, weiß auch nichts über Kultur.“

Lokale und regionale Berichterstattung müsse man in Zukunft noch mehr ausbauen, so Frate: „Denn da liegt unsere Stärke.“ Viele Redakteure lebten schließlich seit vielen Jahren vor Ort oder seien gar dort aufgewachsen. „Diese Lokalkompetenz ist sehr wichtig“, betonte der TAGBLATT-Verleger.

„Die Menschen werden weiter in Städten und Dörfern leben und dort auch vernetzt sein“, ergänzte GEA-Verleger Lehari. Deshalb bestehe auch weiterhin ein Interesse an lokalen Themen: „Wir müssen nun noch mehr auf die Menschen zugehen und aufgreifen, was sie bewegt.“ Da die Lokalzeitungen gerade einen Generationenwechsel durchmachten, müsse das erklärte Ziel sein, so viel Wissen wie nur möglich von den alten an die jungen Redakteure zu übergeben.

Muss sich letztendlich auch die Politik in den Wettbewerb der Medien einmischen? „Die Sensibilität in den Parlamenten für unsere Probleme ist sicher gestiegen“, sagte GEA-Verleger Lehari. Trotzdem gebe es noch einiges zu tun. Wie könne es beispielsweise in Zeiten der Digitalisierung sein, dass die Mehrwertsteuer für Digitales bei 19 Prozent liege, wo doch für Gedrucktes ein reduzierter Mehrwertsteuer-Satz gilt? „Da ist es fünf vor zwölf, da muss man handeln“, betonte der Reutlinger. So zuversichtlich und geschlossen wie sich die vier Geschäftsführer an diesem Abend auch gaben, eines dürfe man letztendlich nicht vergessen: „Auch die Zeitungen sind nicht unendlich belastbar“, stellte Lehari klar.

Klare Haltung mit gutem Journalismus

SWR-Studioleiter Andreas Narr ist sich ganz sicher: In zehn Jahren werde es noch den „Tatort“, die „Tagesschau“ geben – und sein Studio auf dem Tübinger Österberg. Den Vertrauensverlust des Radios und dessen Legitimationskrise wegen der Rundfunkgebühren sieht er aber mit Sorge, sagte er in der Diskussionsrunde zu Radio und Fernsehen gestern Abend beim Empfang der Kammern. Dagegen helfe nur klare Haltung mit gutem Journalismus. Stefan Klarner von RTF-Fernsehen betonte, dass auch beim Fernsehen Regionalität ganz vorne stehe. Das müsse geschützt werden – etwa dadurch, dass die Politik eine Regionalabgabe von Facebook fordere. Die Radiomacher könnten von Youtubern deren gute Vermarktung und das Multi-Channel-Publizierung lernen, sagte Manfred Fuchs von Radio „Neckar-Alb live“. Aber diese sollten vom Radio die Qualität lernen, „da sind wir besser!“ Radio werde am Tag durchschnittlich vier Stunden lang genutzt, „es gibt keinen Grund, alles schwarz zu malen“, erklärte Achim Voeske von Radio „Antenne 1“ selbstbewusst.

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Erstellt:
23.01.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 20sec
zuletzt aktualisiert: 23.01.2018, 01:00 Uhr

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