Natur

Pseudowut: Nach Fund einer infizierten Wildsau warnt der Jagdverband vor Panikmache

Im Kreis Emmendingen ist ein mit dem Pseudowut-Erreger infiziertes Wildschwein erlegt worden. Der Jagdverband warnt vor Panikmache.

10.06.2022

Von Alfred Wiedemann

Keine Sau kennt das Aujeszky-Virus, damit infizierte Wildschweine sind selten. Zum Glück: Das Virus ist tödlich für Hunde und Katzen. Im Kreis Emmendingen wurde jetzt ein Wildschwein erlegt, das das Virus im Körper hatte.  Foto: Lino Mirgeler

Keine Sau kennt das Aujeszky-Virus, damit infizierte Wildschweine sind selten. Zum Glück: Das Virus ist tödlich für Hunde und Katzen. Im Kreis Emmendingen wurde jetzt ein Wildschwein erlegt, das das Virus im Körper hatte. Foto: Lino Mirgeler

Teningen/Stuttgart. Für Hunde und Katzen hochgefährlich, für Menschen völlig harmlos: Bei einem im Kreis Emmendingen erlegten Wildschwein ist das Virus der Aujeszkyschen Krankheit, kurz AK, gefunden worden.

Die AK, auch Juckseuche oder Pseudowut genannt, weil die Symptome denen der Tollwut ähneln, ist sehr selten. In Deutschland gilt sie seit knapp zwei Jahrzehnten als besiegt – wenigstens beim Hausschwein. Hin und wieder taucht das Virus allerdings bei Wildschweinen auf. Zuletzt war das Ende Mai in Ostbayern wieder der Fall.

Das infizierte Wildschwein im Kreis Emmendingen war vor einigen Tagen im Staatswald in der Nähe von Teningen geschossen worden. Weil der Verdacht auf Pseudowut bestand, wurde die Kreisjägerschaft gleich informiert. Am Mittwoch bestätigte das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) dann den Nachweis von Virus-Antigen. Das teilte das Landratsamt in Emmendingen mit.

Menschen passiert nichts

Fast alle Säugetierarten – außer Primaten und Equiden, also Pferdeartige – können sich infizieren. Vor allem Schweine verbreiten das Virus. Bei den Hausschweinen ist das Virus verschwunden. In der Wildschweinpopulation werden aber nach wie vor vereinzelt Antikörper gegen das Virus der Aujeszkyschen Krankheit nachgewiesen – ein Hinweis darauf, dass der Erreger beim Schwarzwild immer wieder auftritt. Ältere Wildschweine überleben die Ansteckung meistens, sie bleiben lebenslang infiziert, wie bei anderen Herpesvireninfektionen auch. Das Virus kann dann immer wieder ausgeschieden werden. Bei Hunden, Katzen und anderen Säugetieren löst das Virus einen so starken Juckreiz aus, dass infizierte Tiere innerhalb von Stunden bis Tagen qualvoll verenden.

Der Landesjagdverband warnt vor Panikmache. Für Menschen sei die Aujeszkysche Krankheit ungefährlich, für Hunde und Katzen aber tatsächlich tödlich, sagt Sophia Lorenzoni vom Jagdverband in Stuttgart. Immer wieder werde der Erreger in Wildschweinen nachgewiesen. „Aber das sind deutschlandweit nur vereinzelte Fälle.“ Vorsicht sei angebracht, die Jäger dafür aber sensibilisiert. „Jedenfalls unsere Mitglieder, wir informieren sie seit Jahren darüber.“

Besonders Jagdhunde sind gefährdet, weil sie schnell mit erlegtem Schwarzwild in Kontakt kommen können, dieses überträgt die Krankheit durch Körperflüssigkeiten auf den Hund. Sie sind aber auch gut abgerichtet – und hören auf Kommandos. Gewöhnlichen Familienhunden wurde der Umgang mit Wild meist nicht beigebracht, deshalb sei es wichtig, dass Herrchen und Frauchen ihre Hunde im Wald unbedingt immer anleinen. „Auf keinen Fall sollten Hunde im Wald frei laufen“, sagt Lorenzoni. Nicht nur wegen der tödlichen Pseudowut. „Gerade ist auch Brut- und Setzzeit, da ist Rücksichtnahme auf die Vögel und das Wild ohnehin besonders nötig.“

Die Pseudowut oder Juckseuche darf nicht mit der Afrikanischen Schweinepest (ASP) verwechselt werden, die vor gut zwei Wochen erstmals auch in Baden-Württemberg aufgetreten ist. Die Schweinepest ist für den Menschen ebenfalls ungefährlich, für Haus- und Wildschweine aber hochgefährlich und breitet sich seit einigen Jahren in einigen EU-Ländern aus. In Deutschland traf es bisher vor allem Brandenburg und Sachsen.

Das infizierte Wildschwein wurde in der Sperrzone geschossen, die wegen ASP rund um den betroffenen Bauernhof im Kreis Emmendingen eingerichtet worden ist. Im Zehn-Kilometer-Sperrbezirk, in dem wegen der ASP schon Leinenpflicht für Hunde gilt, werden Wildschweine verstärkt bejagt. Mit Spürhunden wurde auch nach Kadavern gesucht. Hinweise auf infizierte Wildschweine wurden nicht gefunden, der Ausbruch ist lokal begrenzt geblieben auf den Hausschweinebestand des betroffenen Betriebs.

44 Fälle im Jahr 2020 im Südwesten

Seit 2011 gibt es in Baden-Württemberg ein landesweites Monitoring, bei dem Wildschweine auf Aujeszkysche Krankheit untersucht werden. Die Proben dafür stammen aus dem Monitoring zur Detektion der Schweinepesterreger. Dabei nehmen Jäger gezielt Blutproben von erlegten oder überfahrenen Wildschweinen und schicken diese an die Landesuntersuchungsämter.

Nach Zahlen der Wildforschungsstelle Aulendorf wurden 2020 insgesamt bei 44 Wildschweinen Antikörper gegen das Aujeszky-Virus gefunden. Schwerpunkte waren die Kreise Hohenlohe und Main-Tauber, fünf Fälle gab es im Kreis Ravensburg und zwei im Kreis Biberach. Todesfälle bei Jagdhunden durch das AK-Virus sind auch sehr selten: Seit 2009 wurden vier registriert im Südwesten.

Zum Artikel

Erstellt:
10.06.2022, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 10.06.2022, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Prost Mahlzeit
Sie interessieren sich für gutes und gesundes Essen und Trinken in den Regionen Neckar-Alb und Nordschwarzwald? Sie wollen immer über regionale Gastronomie und lokale Produzenten informiert sein? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Prost Mahlzeit!