Die Frage nach der Schuld
Prozess um verheerenden Dammbruch in Brasilien
Die verheerende Dammbruch-Katastrophe im Südosten Brasiliens mit 270 Toten im Januar 2019 kommt jetzt in München vor Gericht. Ist der TÜV in Deutschland verantwortlich?
Am Dienstag beginnt der Schadenersatzprozess vor dem Landgericht München. Das Musterverfahren haben die Gemeinde sowie sechs Angehörige der Ingenieurin Izabela Barroso angestrengt, die bei dem Dammbruch getötet wurde. Betreiber der Mine ist der brasilianische Mega-Bergwerkskonzern Vale. Gegen ihn werden in Brasilien wegen des Unglücks verschiedene Prozesse angestrengt. Brumadinho liegt im Südosten Brasiliens im Bundesstaat Minas Gervais, in der Gegend werden Erz und andere Rohstoffe gefördert.
Es war am Mittag, als der oberhalb der Ortschaft gelegene Damm einbrach. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 70 Stundenkilometern rauschten gewaltige Massen des giftigen Schlamms nach unten, laut Experten waren es 11,7 Millionen Kubikmeter. Wie viele Angestellte saß auch Izabela Barroso zu dieser Zeit in der Kantine beim Essen. Das Gebäude wurde völlig zerstört, die Menschen getötet, ebenso in vielen weiteren Häusern der Ortschaft. Monatelang wurde nach Opfern gesucht, bis jetzt fand man 259 Leichen, elf Menschen werden vermisst.
Als sicher zertifiziert
„Unsere Beweise zeigen, dass der TÜV Süd diesen Damm als sicher zertifiziert hat, obwohl er nicht sicher war“, teilen Manner-Spangenberg mit. Die Anwälte sprechen von „Unternehmenskorruption und vorsätzlicher Fahrlässigkeit“. Bei Vernehmungen in Brasilien hatten dortige TÜV-Mitarbeiter angegeben, vom Vale-Konzern unter Druck gesetzt worden zu sein, den Damm zu genehmigen.
Das Verfahren könnte wegweisend für den juristischen Umgang mit Umweltkriminalität und deren Folgen werden. Es stellt sich als sehr komplex dar: Zuerst einmal muss geklärt werden, ob nach deutschem oder brasilianischem Recht verhandelt wird.
Die Kläger streben Entschädigungsverhandlungen mit dem TÜV Süd an. Dieser teilt mit, dass der Dammbruch eine „schreckliche Katastrophe“ gewesen sei. Allerdings trage der TÜV Süd „keine rechtliche Verantwortung“ dafür. Es fehle die „Grundlage für eine Haftung“. Außerdem würden die Kläger – also die Angehörigen – bereits in Brasilien „umfassend“ vom Vale-Konzern entschädigt.
Dem widerspricht der Anwalt Jan Erik Spangenberg auf Anfrage dieser Zeitung. Zwar habe Vale mit dem Bundesstaat Minas Gervais eine milliardenschwere Vereinbarung abgeschlossen. Kein Kläger und kein Angehöriger erhalte aber eine Entschädigung. Vielmehr werde das Geld für Infrastrukturprojekte verwendet, „deren größter Profiteur Vale selbst oder andere Bergbauunternehmen sein werden“.