Lebensmittelerpresser: Suizidversuch vor Prozessbeginn

Nicht verhandlungsfähig: Vor Prozess um vergiftete Babynahrung hat sich Ofterdinger selbst verletzt

Wie der Vorsitzende Richter verkündete, wurde der 54-Jährige bei der Morgenkontrolle in der Justizvollzugsanstalt Ravensburg mit Schnittwunden am Unterarm gefunden.

01.10.2018

Von ST/dpa/lsw

Das Schild mit der Aufschrift «Landgericht» hängt vor dem Landgerichtsgebäude. Foto: Felix Kästle/Archiv dpa/lsw

Das Schild mit der Aufschrift «Landgericht» hängt vor dem Landgerichtsgebäude. Foto: Felix Kästle/Archiv dpa/lsw

Ravensburg/Ofterdingen. Geplant war, dass er am Montag um 9.20 Uhr beginnt: der Prozess gegen Jochen S. – den Mann aus Ofterdingen , der im Herbst vergangenen Jahres deutschlandweit Supermärkte damit erpresst haben soll, dass er Babybrei mit Ethylenglycol vergiftete. Doch am Vormittag der Verhandlungseröffnung setzte der Vorsitzende Richter Stefan Maier gleich mal eine Unterbrechung an. Zahlreiche Kamerateams, Radioreporter und Zeitungsjournalisten aus dem ganzen Bundesgebiet hatten zuvor den Gerichtssaal gefüllt.

Versuchter Mord in fünf Fällen?

Es war frühmorgens gegen 7 Uhr, als Beschäftigte der Justizvollzugsanstalt Ravensburg, in der der 54-Jährige zur Untersuchungshaft einsitzt, den Mann in seiner Zelle aufgesucht und Verletzungen an einem Handgelenk entdeckt hatten. Verletzungen, die er sich selbst zugefügt haben soll, wie ein Gutachter im Laufe des Tages feststellte. Unklar ist, ob er auch Schlafmittel genommen hat. Das Landgericht Ravensburg nahm die Entscheidung des Amtsarztes zur Kenntnis, dass der Ofterdinger, der seit Oktober 2017 einsitzt, nicht verhandlungsfähig sei. Es habe aber keine Lebensgefahr für den Mann bestanden.

Die Anklage lautet auf fünffachen versuchten Mord, besonders schwere räuberische Erpressung und gemeingefährliche Vergiftung: Der Mann hatte mit seinen Drohbriefen im vergangenen Spätsommer schließlich nicht nur die adressierten Supermärkte und ihre Kundschaft in Angst und Schrecken versetzt, sondern fünf vergiftete Gläschen auch tatsächlich in einem Supermarktregal deponiert. Der entsprechende Wirkstoff, Ethylenglycol, hätte in dieser Dosierung Krämpfe, Nierenversagen und schwere Herz-Kreislaufprobleme bis zum Tod auslösen können, hatten Experten der Kriminalpolizei festgestellt. Deshalb (und weil der Mann zuletzt knapp 12 Millionen Euro verlangte) sieht die Staatsanwaltschaft Ravensburg mindestens die Mordmerkmale Grausamkeit und Habgier bestätigt.

Ofterdingen: Polizei fasst mutmaßlichen Erpresser
© ST 01:29 min
Die Polizei verhaftete am Freitag einen 53-Jährigen in Ofterdingen. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass er der seit Tagen intensiv gesuchte Supermarkterpresser ist. In seiner Wohnung fanden sie laut Polizeiangaben ein Fläschchen mit jenem Frostschutzmittel, mit dem mehrere Gläschen Babynahrung in einem Supermarkt am Bodensee versetzt worden waren. Video: Schneck/Bleeser

Die Ravensburger Justiz ist deshalb zuständig, weil der Ofterdinger die vergifteten Gläschen in einem Friedrichshafener Supermarkt platziert hat. Nachdem die gefunden waren, konnte die Polizei Ende September einen Fahndungsaufruf mit Bildern einer Überwachungskamera veröffentlichen. 51 Stunden später verhafteten Beamte den Mann in seiner Wohnung in Ofterdingen.

Ein psychologischer Gutachter des Gerichts, der den Angeklagten am Montag in Augenschein genommen hatte, interpretierte die Verletzungen am Nachmittag als, so wörtlich, „nicht ganz unernst gemeinten Suizidversuch“.

Der Prozess könnte am nächsten Montag fortgesetzt werden.

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Erstellt:
01.10.2018, 06:49 Uhr
Aktualisiert:
01.10.2018, 10:20 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 05sec
zuletzt aktualisiert: 01.10.2018, 10:20 Uhr

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