Tübingen · Landgericht

Prozess um tödlichen Unfall bei Hirschau hat begonnen

Ende April wurde ein 18-Jähriger bei Hirschau von einem Auto erfasst und kam ums Leben. Nun stehen der Fahrer und sein Beifahrer deshalb vor Gericht: Sie waren zunächst weitergefahren. Erst über eine Stunde später alarmierten sie die Polizei.

20.02.2020

Von Jonas Bleeser

Abbild der Göttin der Gerechtigkeit Justizia über dem Eingang zum Tübinger Gerichtsgebäude in der Doblerstraße. Ihre Augen sind verbunden, weil vor dem Gesetz alle gleich sein sollen. Symbolbild: Erich Sommer

Abbild der Göttin der Gerechtigkeit Justizia über dem Eingang zum Tübinger Gerichtsgebäude in der Doblerstraße. Ihre Augen sind verbunden, weil vor dem Gesetz alle gleich sein sollen. Symbolbild: Erich Sommer

Am Donnerstagmorgen begann im nahezu voll besetzten Schwurgerichtssaal des Tübinger Landgerichts der Prozess gegen zwei junge Männer aus dem Kreis Rottweil. Im Publikum sitzen viele Angehörige, aus den Familien der Angeklagten und auch aus der des Opfers.

Die Staatsanwaltschaft wirft einem 24-Jährigen fahrlässige Tötung, versuchten Mord und Fahrerflucht vor, dem 21-jährigen Beifahrer unterlassene Hilfeleistung.

Am 28. April vergangenen Jahres hatte ihr Auto kurz hinter Hirschau einen 18-jährigen Wurmlinger erfasst, der gegen 5 Uhr am frühen Sonntagmorgen zu Fuß auf dem Heimweg war.

Er war laut Anklage betrunken etwa 90 Meter nach dem Hirschauer Ortschild über die Straße gelaufen. Dann erfasste ihn der BMW des 24-Jährigen, der mit seinem 21-jährigen Beifahrer auf dem Heimweg vom Top 10 in Tübingen war. Der Aufprall war so heftig, dass die Frontscheibe des Wagens splitterte und der Beifahrer dadurch verletzt wurde. Beide waren alkoholisiert.

Anstatt sich um den Schwerverletzten im Straßengraben zu kümmern, fuhr der Autofahrer davon. Erst über eine Stunde später kehrte er mit seinem Beifahrer zur Unfallstelle zurück. Der 18-Jährige starb.

Die Anklage geht davon aus, dass Fahrer und Beifahrer erkannten, dass bei dem Unfall ein Mensch schwer verletzt wurde und dieser sofortige Hilfe gebraucht hätte, um sein Leben zu retten. Trotzdem fuhren sie weiter. Erst über eine Stunde später kamen sie mit dem Schwager des Fahrers an den Unfallort zurück und alarmierten dann die Polizei.

Deshalb habe sich der Fahrer des versuchten Mordes durch Unterlassen von Hilfe schuldig gemacht, so die Staatsanwaltschaft. Obwohl der 18-Jährige starb, könne man aber nur von versuchtem Mord ausgehen, da laut einem medizinischen Gutachten nicht auszuschließen ist, dass der 18-Jährige auch gestorben wäre, wenn er schnelle Hilfe erhalten hätte. Da der Fahrer den jungen Mann aus Angst vor einer Entdeckung des Unfalls liegen ließ, sei aber das Mordmerkmal der Verdeckung einer Straftat erfüllt.

Beide Angeklagte kommen aus der selben Gemeinde im Kreis Rottweil. Bei der Verlesung der Anklage hielten sie die Köpfe gesenkt. Ihre Verteidiger gaben Erklärungen ab: Ihre Mandanten bedauerten sehr, was an jenem Tag im April geschah. Das sagte auch der Fahrer des Unfallwagens selbst: „Hätte ich die Chance in meinem Leben etwas zu ändern, wäre es der 28. April 2019.“ Es raube ihm seither jede Nacht den Schlaf. Nach dem Unfall begab er sich für sechs Wochen in eine psychiatrische Klinik.

Zur Sache selbst schweigen die Angeklagten ansonsten bislang.