Landgericht verurteilt fünf Männer wegen Betrugs

Prozess um falsche Polizisten: Zwei werden lange sitzen

Das Tübinger Landgericht verurteilte fünf Männer, die Rentnerinnen um ihr Erspartes betrogen. Einer der Organisatoren bekam fünf Jahre Haft.

08.01.2018

Von Jonas Bleeser

Eingang des Tübinger Schwurgerichtsaals. Symbolbild: Sommer

Eingang des Tübinger Schwurgerichtsaals. Symbolbild: Sommer

„Das war moralisch unterste Schublade“ – „Das war Mist, was wir gemacht haben“ – „Es war eine Schweinerei.“ Für ihre Taten fanden die fünf Angeklagten am Montag vor der Großen Strafkammer des Tübinger Landgerichts selbst klare Worte. Die Männer aus der Nähe von München hatten gestanden, dass sie ältere Frauen um ihre Ersparnisse betrogen hatten.

Ein Hintermann hatte die alleinstehenden Rentnerinnen angerufen und sich als Polizist ausgegeben. Dabei nutzte er aus, dass sie große Angst vor Einbrechern und gleichzeitig ein hohes Vertrauen in die Polizei hatten. Der Anrufer machte den älteren Frauen weis, eine rumänische Einbrecherbande habe sie ihm Visier: Nur bei der Polizei sei ihr Geld sicher. Auch ihrer Bank könnten sie nicht trauen, dort säßen Komplizen der Bande. Später komme ein Kripo-Beamter, der ihre Ersparnisse in Sicherheit bringe. Dann klingelte ein Abholer – und das Geld war weg.  Nach diesem Muster arbeitet offenbar eine regelrechte Betrugsindustrie, wie in den nun verhandelten Fällen häufig von der Türkei aus. Der Anrufer, der unter anderem eine Mössingerin und eine Tübingerin in die Falle lockte, soll ein in Deutschland aufgewachsener Türke sein. Er sitzt in Casablanca in Auslieferungshaft.

Sein jüngerer Bruder organisierte von München aus die Logistik in Deutschland. Er bezahlte Freunde dafür, dass sie die Opfer beobachteten, den Fahrer oder Abholer machten. Anklage, Verteidigung, Gericht und Angeklagte hatten kurz nach Prozessbeginn eine Vereinbarung getroffen: Die Männer gestanden und verpflichteten sich, den Opfern einen Teil des Schadens sofort zu ersetzen. Dafür wurde – je nach Tatbeteiligung – ein Rahmen für die Strafe festgelegt.

Wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs forderte der Staatsanwalt für den 29-jährigen Logistik-Organisator fünf Jahre und einen Monat Haft, für einen als Abholer auftretenden 31-Jährigen vier Jahre, drei Monate. Ein 33-Jähriger, der in zwei Fällen dabei war, sollte zweieinhalb Jahre in den Knast. Für zwei weitere Komplizen forderte er Bewährungsstrafen von zwei Jahren beziehungsweise neun Monaten: Ein 23-Jähriger hatte die Polizei durch Aussagen bei den Ermittlungen unterstützt, ein 24-Jähriger war wohl nur einmal als Fahrer dabei. Zwei Signale seien ihm wichtig, so der Staatsanwalt: „In Tübingen gibt es hohe Strafen – wer kooperiert, der wird belohnt.“ Als hoch schätzte auch der Anwalt des Hauptangeklagten die Forderung ein: Wer dagegen Steuern hinterziehe, bekomme erst bei Schadenssummen von mindestens 4 Millionen Euro eine ähnlich hohe Strafe. Wie auch seine Mitverteidiger hob er hervor, dass die Männer zum „Fußvolk“ der Bande gehörten. Durch ihre Geständnisse ersparten sie den älteren Frauen einen Auftritt vor Gericht. Alle forderten Strafen am unteren Ende des vereinbarten Rahmens. Das Gericht verhängte fünf Jahre gegen den Hauptangeklagten, vier gegen den Abholer und zweieinhalb für den Wohnungs-Beobachter. Die anderen erhielten Bewährungsstrafen und müssen jeweils 7200 Euro zurückzahlen. Man habe zwar einige Taten aufklären können, so der Vorsitzende. Trotzdem sei es unbefriedigend, dass die Betrugsserie von der Türkei aus immer weitergehe. Vergangenes Wochenende gab es allein im Kreis Reutlingen 30 angezeigte Versuche.

Der Hauptangeklagte soll für den entstandenen Schaden geradestehen

Auf 139 505 Euro bezifferte das Gericht den Schaden der nun abgeurteilten Betrugsserie. Und für den soll nach dem Willen der Richter der 29-jährige Hauptangeklagte geradestehen – abzüglich der an seine Komplizen ausgezahlten Löhne für deren Hilfsdienste und der 30000 Euro, die er bereits zur Wiedergutmachung bereitgestellt hat. Möglich macht das der 2017 reformierte Strafrechtsparagraf 73, der die Einziehung von Erträgen aus Straftaten regelt. So sollen die Opfer oder deren Erben entschädigt werden. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, hätte die Staatsanwaltschaft einen Titel gegen den Verurteilten. Ob sie die Summe jemals von dem Mann eintreiben kann, wenn er seine Strafe verbüßt hat, ist jedoch fraglich.