Kinder-Uni

Proviant fürs Jenseits

Nicht weit vom Nil in der Wüste Ägyptens stehen die berühmten Pyramiden. Warum sie dort stehen, erklärte eine Ägyptologin bei der Auftakt-Vorlesung.

26.04.2018

Von Lisa Maria Sporrer

Der Ausschnitt von der Westwand aus der Opferkammer des Seschemnefer III zeigt Diener, wie sie gerade zwei Rinder zerlegen. (c) Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss HohentübingenBild:Valentin Marquardt

Der Ausschnitt von der Westwand aus der Opferkammer des Seschemnefer III zeigt Diener, wie sie gerade zwei Rinder zerlegen. (c) Ägyptische Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss HohentübingenBild:Valentin Marquardt

Wird über Ägypten gesprochen, dann werden häufig im gleichen Atemzug die Pyramiden genannt, monumentale Königsgräber und für Ingenieure ein Rätsel. Selbst heutige Bauherren würden erst einmal schlucken, wenn sie mit dem Bau einer Pyramide beauftragt würden: Knapp drei Millionen Steine müssten dafür angekarrt werden, jeder Stein bis zu sechs Tonnen schwer. Zum Vergleich: ein junges Nashorn wiegt in etwa drei Tonnen.

Wie genau die alten Ägypter solch schwere Steine zu einer Pyramide aufschichteten, weiß man bis heute nicht, sagte Susanne Beck, die den jungen Studenten erklärte, wo eigentlich Ägyten liegt, was genau eine Pyramide ist und warum sie wie gebaut wurden. Im Kupferbau startete am Dienstag die 17. Auflage der Kinder-Uni. Die Ägyptologin ließ ihre kleinen Zuhörer im Hörsaal Pyramiden zeichnen und erklärte kindgerecht, was selbst für Altertumsforscher heute noch die Faszination dieser monumentalen Bauten ausmacht.

Etwa dieses: Nicht ohne Grund gilt die Cheops-Pyramide, die älteste und größte der drei Pyramiden von Gizeh, als ein Weltwunder. Ihr Bau, sagen Forscher, gleiche nämlich noch immer einem Wunder. „Immerhin hatten die Ägypter keine Betonmischer und Lasten-Hubschrauber“, erläuterte Beck. Unmengen an Kalkstein und Granit, die für die Mammut-Projekte mit Booten zum Fuße der Pyramiden geschiftt wurden, landeten auf großen Schlitten, mit denen sie zum Bauort transportiert wurden.

Das vermutet man jedenfalls, sagte Beck. Ein Team der Universität von Amsterdam lieferte vor einigen Jahren den Machbarkeitsbeweis dafür. Damit der schwerbeladene Schlitten sich nicht in den trockenen Wüstensand gräbt, befeuchteten die niederländischen Studenten die Kufen mit Wasser. Das Ergebnis: die Bewässerung halbierte die notwendige Ziehkraft. „So konnten sechs Arbeiter insgesamt drei Tonnen schwere Steine ziehen“, sagte Beck, die auch den Nachteil dieser Variante zu bedenken gab: „Das funktioniert nur in der Ebene.“

Viel praktischer wäre es, die Zaubertrank-Kraft von Obelix zu haben, sagte nach der Vorlesung der neunjährige Fabian: „Der konnte in Nullkommanix eine Pyramide bauen.“ Forscher aber haben zu dem Thema gleich mehrere Vorschläge: So könnten die Steine mittels verschiedener Rampen in die Höhe transportiert worden sein, über eine Treppe oder einen antiken Kran, der wie eine Balkenwaage funktioniert. „Wie genau die Pyramiden gebaut wurden, wissen wir bis heute nicht“, musste die Ägyptologin die neugierigen Kinder enttäuschen.

Dafür wisse man umso besser, warum sie gebaut wurden. Ob es sich um die Djoser-Stufenpyramide in Saqqara handelt, um die Knickpyramide in Dahschur oder um die Cheops-Pyramide: Die Pharaonen sollten vor über 4000 Jahren auch nach ihrem Tod noch über das Volk wachen. Und dafür brauchten sie sozusagen eine Treppe in den Himmel. Deshalb die architektonische Form.

Während in Südamerika die Maya mit den Pyramiden ihre Götter ehrten, benutzten die Ägypter sie als Grabkammer für ihre Könige. Womit die Herrscher aber für ein Leben nach dem Tod ausgestattet wurden, rief bei den Teilnehmern der Kinder-Uni Verwunderung hervor: Als Grabbeigaben wurden Juwelen, Waffen, Möbel und Musikinstrumente in Reichweite des mumifizierten Herrschers platziert. Eben alles, was in einem Leben nach dem Tod nützlich sein kann.

An den Proviant des Pharaos für seine Reise ins Jenseits wurde ebenfalls gedacht. Kleine hölzerne Figürchen sollten den Toten potenziell bewirten, teils mit echten Lebensmitteln, die in die Kammer gelegt wurden. Wahlweise sollten Wandbilder, sogenannte Reliefs, durch ihre Darstellung von Nahrung oder der Jagd die leibliche Versorgung symbolisch sicherstellen.

„In der Cheops-Pyramide ist sogar ein Boot gefunden worden“, sagte Beck. Archäologen haben in einer tiefen Grube einen Bausatz für ein Schiff gefunden. Es ist das älteste erhaltene Holzschiff der Menschheit, viereinhalbtausend Jahre alt. Die alten Ägypter glaubten, dass der König im Jenseits mit dem Boot über den Himmel fährt und die Sonne begleitet.

Das Grab in Tübingen und eine Fortsetzung mit Mumien

Die Grabkammer Seschemnefers III. ist im Schloss Hohentübingen ausgestellt. Sie stand ursprünglich in der Nähe der Cheops-Pyramide in Gizeh, wo sie um 2350 v. Chr. gebaut wurde. Wilhelm Sieglin, Professor für antike Geographie, ließ die Grabkammer in Ägypten ausgraben, kaufte sie, ließ sie abbauen und schenkte sie 1911 der Tübinger Universität.