Über Werbebotschaften

Programmatische Köpfe und gerupfte Engel

Sie hängen wieder an den Masten und konkurrieren um Aufmerksamkeit. Das Angebot ist, wie immer, größer als die Nachfrage oder als es die bescheidenen Stimmmittel des Wählers sind. Manchen Plakaten sieht man förmlich die Kreativ-Schwerstarbeit der Werbeagenturen an, bei anderen wurden nur routiniert die bekannten Zutaten zusammengeschüttet.

18.09.2017

Von Ulla Steuernagel

CDU und SPD sind sich, wie sie so an den Straßen Spalier stehen, irritierend einig. Beide Parteien spielen ihre Regierungsposition aus. Annette Widmann-Mauz und Martin Rosemann stehen mit Gesicht und Name – für was eigentlich? – na, für sich ein. Sie signalisieren: Wir müssen uns nicht vorstellen, man kennt uns, unsere Köpfe sind Programm genug. Noch ein bisschen in Photoshop aufgehübscht – und fertig.

Die Grüne Partei macht’s gerade umgekehrt. Wir stehen für Inhalte, so lautet der Subtext ihrer Botschaften. Dafür wurden einige Aphorismen-Sammlungen gefleddert: „Umwelt ist nicht alles. Aber ohne Umwelt ist alles nichts.“ Das pinkfarbene Ding hinter dem Text ist eine Weltkugel. Einen pinkfarbenen angebissenen Apfel hinter einem anderen Spruch zum gesunden Essen zu erkennen, fällt deutlich schwerer. Grüne Leitfarben sind – außer eben Grün – auch noch Pink und Gelb. Und ist doch ein Kandidat auf den Plakaten zu sehen, dann wirkt er wie ein gefallener oder gerupfter Engel mit nur einem pinkfarbenen Flügel.

Die Linke ist mal wieder konservativ. Ihre Plakate orientieren sich am „Bild“- Layout. Rote Balkenschrift, unruhige Grafik und überm Kopf von Kandidatin Heike Hänsel stehen die nicht ganz überraschenden Versprechen: „Sozial. Gerecht. Frieden. Für alle.“ Vor 30 Jahren hätte die bedeutungsvoll gesetzte Interpunktion vielleicht noch einen Hauch von Modernität vermittelt.

Am auffälligsten um eine neue Wahlwerbeästhetik bemüht sich die Partei, die es auch am nötigsten hat: die FDP. Ihr Coverboy und Hauptdarsteller Christian Lindner eignet sich hervorragend dafür. Ein Machertyp eben: „Digital first. Bedenken second“, findet er nämlich. Dieser Mann besitzt sogar den Mut, seinem Wahlvolk nicht ins Auge zu schauen. „Ungeduld ist auch eine Tugend“ steht als Original-Lindner-Zitat dabei. Wie unangepasst ist das denn? Hier bürstet einer eine vielzitierte Schwäche, zu der sich Kandidaten in Bewerbungsgesprächen völlig risikofrei bekennen können, zur Stärke um. Daneben steht noch ganz viel Kleingedrucktes. Ob das nun enthält: „Mit Ihrem Kreuz haben Sie soeben einen SUV gekauft“ oder ähnliches, interessiert eh niemand. Das Kleingedruckte ist grafisches Dekor. Es soll ja nur die Anmutung von Inhalt rüberbringen.

Dankbarkeit ist keine besonders schicke Tugend, aber sie kommt auf angesichts von Wahlplakaten, die erfrischend aus dem Rudel der Stimmenbuhler ausbrechen. „Mach keinen Scheiß mit deinem Kreuz“, warnt eine Jesusfigur. Auch der „Kançler!“ mit dem furchterregend dreinschauenden Spaßmacher Serdar Somuncu verdient Respekt, genau wie die mit Bananen auf der Neckarbrücke posierende Ina Mecke: „Warum nicht mal ein Ossi?“ Die längste Säule auf die noch nicht gestellte Sonntagsfrage: Wer macht die lustigste Werbung? verdient jedenfalls mit Abstand „Die Partei“.