Raubtiere

Interview: „Problem-Wölfe umgehend schießen“

Wissenschaftler der Uni Freiburg beleuchten in einer Studie die Folgen, die die Rückkehr des Wolfes mit sich bringt. Sie sehen Naturschutz-Ziele gefährdet.

19.01.2021

Von PETRA WALHEIM

Die Rückkehr des Wolfes bringt Weide-Tierhalter, die oft ohnehin wirtschaftlich schon mit dem Rücken zur Wand stehen, noch mehr in Bedrängnis. Der Schutz der Herden ist zeit- und arbeitsintensiv.   Foto: Boris Roessler/dpa

Die Rückkehr des Wolfes bringt Weide-Tierhalter, die oft ohnehin wirtschaftlich schon mit dem Rücken zur Wand stehen, noch mehr in Bedrängnis. Der Schutz der Herden ist zeit- und arbeitsintensiv. Foto: Boris Roessler/dpa

Freiburg. Die Rückkehr des Wolfes spaltet die Bevölkerung seit Jahren: Naturschützer sind begeistert, Weidetier-Halter nicht, denn das Raubtier reißt immer wieder Schafe und Ziegen. Ein Team um den Ökologen Nicolas Schoof von der Uni Freiburg hat die Rechtslage ausgewertet und mit Viehhaltern gesprochen. Das Fazit: Die Weidetier-Haltung steckt in der Krise; die wird durch den Wolf verschärft. Immer mehr Tierhalter erwägen, die Weide-Tierhaltung aufzugeben. Damit droht der Verlust geschützter Lebensräume, die nur durch Beweidung erhalten werden können. Die Wissenschaftler empfehlen, Problem-Wölfe, die in geschützte Herden eindringen, abzuschießen und die Weidewirtschaft über die im Land bestehende, umfangreiche Herdenschutz-Unterstützung hinaus besser zu fördern.

Was hat Sie und Ihr Team dazu bewogen, diese Studie aufzustellen?

Nicolas Schoof: Wir haben festgestellt, dass es unter den Weidetier-Haltern in Deutschland ein krasses Informations-Defizit gibt und viele falsche Informationen kursieren. Wir sahen es als unsere Aufgabe an, die rechtliche Lage zu prüfen und die Weidetier-Halter darüber zu informieren, was rechtlich möglich ist. Das wird sehr oft falsch dargestellt. Und wir wollten darauf hinweisen, dass es beim Thema „Wolf“ naturschutzfachliche Konflikte gibt.

Was sind das für Fehlinformationen?

Viele Weidetierhalter sind noch immer der Meinung, in Deutschland könnten wolfsfreie Zonen etabliert werden. Immer wieder wird diese Information gestreut. Tatsächlich gibt es in Deutschland aber keine Möglichkeit, die Ausbreitung der Wölfe zu begrenzen. Bindend ist das EU-Recht, das Deutschland 1992 unterschrieben hat.

Welches sind die naturschutzfachlichen Konflikte?

Der Wolf ist für die Beweidung einiger geschützter Flächen eine große Herausforderung. Das gilt vor allem für Flächen in Steillagen, die mit Maschinen nicht zu bewirtschaften sind. Solche Flächen können fast nur durch Beweidung erhalten werden. Beispiele dafür sind der Albtrauf, teils Wacholder-Heiden und im Schwarzwald die Flächen in Steillagen. Die Beweidung ist mit dem Wolf noch schwieriger geworden als es ohnehin schon ist.

Weidetierhalter und Forscher: Nicolas Schoof, Uni Freiburg. Foto: privat

Weidetierhalter und Forscher: Nicolas Schoof, Uni Freiburg. Foto: privat

Sie sagen in der Studie aber auch, dass nicht allein der Wolf das Problem ist.

Ja, das stimmt. Der Wolf ist der Kondensationspunkt einer generellen Unzufriedenheit unter den Weidetier-Haltern. In den allermeisten Fällen ist es nicht der Wolf, der den Betrieben die Luft abdreht. Das sind eher die mangelnde Förderung neben dem Herdenschutz und die niedrigen Preise, die sie mit dem Verkauf ihrer Produkte wie Lammfleisch und Wolle erzielen. Beim Lammfleisch konkurriert der Schäfer mit den Produkten aus Neuseeland. Das ist für die Schäfer eine schwierige Lage. Viele Betriebe sind auch ohne Wolf gefährdet.

Was kommt noch dazu?

Viele Schäfer haben eine 70-Stunden-Woche, inklusive Wochenende, und ihr durchschnittlicher Stundenlohn beträgt etwa sechs Euro. Die Finanzierung des Herdenschutzes bessert ihre Situation eher.

Welche Rolle spielt in dieser Misere der Wolf?

Der Wolf bedeutet für die Weidetier-Halter durch das aufwändige Aufstellen von wolfsabweisenden Zäunen mehr Arbeit, und er bringt eine psychische Belastung durch die Sorge um die Tiere mit sich. Für Betriebe, die wirtschaftlich ohnehin schon mit dem Rücken zur Wand stehen, ist die emotionale Belastung hoch, auch wenn der Wolf rational betrachtet nicht das entscheidende Problem ist.

Was schlagen Sie vor?

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass einige Lebensräume, die beweidet werden, genauso nach europäischem Recht geschützt sind wie der Wolf. Im Unterschied zum Wolf sind Lebensräume wie etwa Heiden in ihrem Bestand gefährdet. Der Wolf ist eher keine gefährdete Tierart mehr. Deshalb empfehlen wir, Problem-Wölfe, die in geschützte Herden eindringen, umgehend abzuschießen. Das ist der Akzeptanz förderlich.

Welche Bedeutung hat für sie der Herdenschutz?

Der ist essentiell. Wer einen Herdenschutz-Zaun korrekt aufstellt, hat meist keine Probleme mit dem Wolf. Aber auch da kursieren Schauergeschichten, die das bestreiten und Schäfer verunsichern. Umgekehrt meinen manche Tierhalter, sie bräuchten noch keinen Herdenschutz. Die Risse, die in Baden-Württemberg registriert wurden, waren möglich, weil die Herden nicht fachgerecht geschützt waren.

Wie können Herden geschützt werden, wenn es nicht möglich ist, einen sicheren Zaun aufzustellen?

Das ist nur in einigen speziellen Fällen, zum Beispiel in extremen Steillagen, der Fall. Eine Möglichkeit sind Herdenschutzhunde und Behütung. Doch das kommt nur für wenige Tierhalter in Frage, weil die Arbeit mit den Hunden sehr arbeitsintensiv ist.