Brief von Palmer, Bamberg, Federle

Post für alle Tübinger und Tübingerinnen über 60 Jahren

Mit einem gemeinsamen Brief wenden sich Oberbürgermeister Boris Palmer, Professor Dr. Michael Bamberg, Leitender ärztlicher Direktor UKT, und die Tübinger Pandemiebeauftragte und Notärztin Dr. Lisa Federle an alle Tübingerinnen und Tübinger, die älter als 60 Jahre sind.

25.11.2021

Von tol

Haben sich per Brief an alle Tübingerinnen und Tübinger über 60 Jahren gewandt: Oberbürgermeister Boris Palmer, UKT-Direktor Michael Bamberg und die Pandemiebeauftragte Lisa Federle. Archivbilder: Ulrich Metz

Haben sich per Brief an alle Tübingerinnen und Tübinger über 60 Jahren gewandt: Oberbürgermeister Boris Palmer, UKT-Direktor Michael Bamberg und die Pandemiebeauftragte Lisa Federle. Archivbilder: Ulrich Metz

Im Brief bitten sie alle, die noch nicht gegen Corona geimpft sind, sich impfen zu lassen oder eine Booster-Impfung in Anspruch zu nehmen, falls die Impfung schon mehr als sechs Monate zurückliegt. Wir dokumentieren das Schreiben hier im Wortlaut:

„Sehr geehrt/r Frau/Herr xy,

Sind Sie gegen Corona geimpft? Dann bedanken wir uns bei Ihnen für Ihre Vorsicht und Umsicht. Wenn Sie aber noch nicht geimpft sind, bitten wir Sie, uns fünf Minuten Ihrer Zeit zu schenken. Und wenn Ihre Impfung sechs Monate zurückliegt, dann melden Sie sich am besten gleich für eine dritte Impfung (Booster-Impfung) an.

Was bringt die Impfung wirklich und wie gefährlich sind die Nebenwirkungen? Das wird immer noch kontrovers diskutiert. Wir wollen Ihnen dazu unsere Sicht als Klinikdirektor, Notärztin und Oberbürgermeister darlegen. Eine Corona-Infektion ist vor allem für ältere Menschen bedrohlich. Die meisten Corona-Patienten der Krankenhäuser sind älter als 60. Auf den Intensivstationen in Deutschland sind derzeit 36% der Corona-Patienten geimpft. Das hört sich viel an. Wirkt die Impfung dann überhaupt? Das kann man direkt ausrechnen: Bei den Menschen über 60 sind 85% geimpft und dennoch machen sie nur 36% der Patienten aus. Die Ungeimpften sind nur 15% der Personen in dieser Altersgruppe, stellen aber 64% der Intensivpatienten. Daraus ergibt sich, dass Ungeimpfte zehnmal häufiger so schwer an Corona erkranken, dass sie ein Intensivbett benötigen. Anders formuliert: Die Impfung schützt Sie zu 90% vor einer schweren Erkrankung durch eine Infektion mit Corona. Das sind keine Daten aus Versuchen der Hersteller, sondern die bundesweit erhobenen Daten der Kliniken. Wir können Ihnen versichern, dass diese Daten korrekt sind und mit der Realität, die wir erleben, übereinstimmen.

Eine Corona-Infektion endet für einen Ungeimpften über 80 Jahren in 15% der Fälle mit dem Tod. Gegen diese Gefahr eines einzigen Kontakts mit infizierten Freunden oder Verwandten können Sie sich durch die Impfung mit einer Wirkung von 90% schützen. Ihr Todesrisiko sinkt also auf 1,5%. Und leider ist diese Bedrohung jetzt sehr nahe: Unter den Ungeimpften ist derzeit einer von 100 infiziert. Sie müssen leider davon ausgehen, dass Sie in diesem Winter angesteckt werden. Unsere erste Bitte lautet daher: Schützen Sie sich selbst. Lassen Sie sich jetzt impfen. Auf den Intensivstationen leisten unsere Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte jeden Tag einen großartigen Dienst. Bis zu 35 Intensivpatienten mit Corona haben sie in Tübingen schon gleichzeitig versorgt.

Das war bereits nahe an der Überlastung. Nun droht ein Anstieg der Zahl der Intensivpatienten, der alle bisherigen Corona-Wellen in den Schatten stellt. Viele Krankenhäuser müssen nun Operationen absagen und dringend notwendige Behandlungen verschieben, weil die Kliniken nicht mehr alle Patienten gleichzeitig versorgen können. Weil viele Kliniken schon jetzt überlastet sind, müssen die Ret-tungsdienste Patienten oft über weite Strecken verlegen und kommen damit auch an ihre Grenzen. Schon die unvermeidliche Zunahme in den kommenden zwei Wochen ist für unser Gesundheitssystem, unser Personal und unsere Patienten eine unglaubliche Anstrengung und Belastung. Wir können weitere Patienten kaum noch verkraften.

Nun wissen wir, dass die Zahl der Patienten, die so schwer an Corona erkranken, dass sie ins Kranken-haus müssen, zehnmal größer ist, wenn alle Menschen ungeimpft sind. Schon wenn alle sich impfen lassen, die älter als 60 sind, sinkt die Zahl der Intensivpatienten in Deutschland um die Hälfte. Diese Unterstützung braucht unser medizinisches Personal dringend.

Unsere zweite Bitte lautet daher: Schützen Sie unsere Kliniken und Rettungskräfte. Lassen Sie sich jetzt impfen.

Unsere Kinder haben in der Pandemie eine allzu große Last getragen. Schulschließungen haben die Bildungsbiografien beschädigt. Viele Familien sind im Corona-Stress zerbrochen. Die Kinderkliniken sind mit den psychisch erkrankten Kindern stark überlastet. Kinder unter 12 können wir aber bisher nicht impfen. Das liegt auch daran, dass sie die Impfung nicht unbedingt brauchen, weil sie in aller Re-gel nur sehr mild erkranken oder die Infektion gar nicht bemerken. Wenn aber die Infektionen der Kinder über die Generation Eltern und Lehrer auf die Generation der Großeltern übertragen werden, dann überlasten wir die Kliniken und Schulschließungen kommen als letztes Mittel wieder auf uns zu.

Unsere dritte Bitte lautet daher: Schützen Sie unsere Kinder. Lassen Sie sich jetzt impfen.

Und was ist mit den Nebenwirkungen? In Deutschland sind 100 Millionen Impfdosen verabreicht wor-den. Nebenwirkungen werden akribisch untersucht. Es gab in 0,15% der Fälle schwere Nebenwirkungen, die aber fast alle wieder abklingen. In 50 Fällen ist wegen der Impfung ein Todesfall zu beklagen gewesen.

Zum Vergleich: An manchen Tagen im letzten Winter sind 700 Menschen pro Tag an Corona gestorben. Den ganzen Sommer über wurde mit großem Tempo geimpft. Die Kliniken haben von die-ser riesigen Zahl von Impfungen nichts bemerkt, es gab keine zusätzlichen Patienten mit Impfschäden. Wir sind daher absolut sicher: Die Gefahr der Infektion mit dem Virus ist um ein Vielfaches größer als die Gefahr durch die Impfung. Das gilt für Sie persönlich. Und für unser Gesundheitssystem.

Deshalb bitten wir Sie: Lassen Sie sich jetzt impfen. Wenn Sie dabei Unterstützung benötigen, können Sie sich per E-Mail (impforte@med.uni-tuebingen.de) an unseren Beratungsdienst wenden. Wenn Sie das Internet nicht nutzen können, erreichen Sie den Impfort in dringenden Fällen montags bis freitags von 8 bis 14 Uhr auch telefonisch unter 07071 2988884.

Wir danken Ihnen schon vorab ganz herzlich für Ihr Mitwirken!

Boris Palmer, Oberbürgermeister Universitätsstadt Tübingen

Prof. Dr. Michael Bamberg, Leitender ärztlicher Direktor UKT

Dr. Lisa Federle Leitende Notärztin und Pandemiebeauftragte“

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Erstellt:
25.11.2021, 14:32 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 51sec
zuletzt aktualisiert: 25.11.2021, 14:32 Uhr

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