Flucht und Geiselnahme · Der Täter ist weiterhin flüchtig

Keine Hinweise in der Nacht zum Donnerstag: Polizei sucht weiter mit Hochdruck nach 37-Jährigem

Die Polizei fahndet weiter nach dem 37-Jährigen, der gestern vor dem Tübinger Amtsgericht der Polizei entkam, ein Auto stahl und einen 65-Jährigen kurzzeitig als Geisel nahm. Seit Mittwochnachmittag ist der Gesuchte allein auf der Flucht. Auch in der Nacht auf Donnerstag ergaben sich laut Polizei keine neuen Hinweise.

30.08.2018

Von ik/itz

Das Tübinger Gerichtsgebäude am Mittwoch: Rechts am Gebäude vorbei geht es zur Justizvollzugsanstalt. Von der Mauer, die vor dem Haupteingang entlang der Doblerstraße verläuft, sprang der Flüchtige hinunter. Bild: Rekittke

Das Tübinger Gerichtsgebäude am Mittwoch: Rechts am Gebäude vorbei geht es zur Justizvollzugsanstalt. Von der Mauer, die vor dem Haupteingang entlang der Doblerstraße verläuft, sprang der Flüchtige hinunter. Bild: Rekittke

Was zunächst nach einem Fahndungserfolg aussah, endete in einem Desaster: Ein 37-Jähriger, der vergangene Woche in Tübingen einen Einbruch verübt und ein Auto gestohlen haben soll, kam am Mittwoch um kurz vor 12 Uhr vom Haftrichter und sollte in eine Justizvollzugsanstalt gebracht werden. Da gelang ihm spektakulär die Flucht: Er trickste die Polizisten aus; tat, als wäre ihm übel, und „entledigte sich der Handschellen“, so die Polizei. Er sprang die meterhohe Mauer zur Doblerstraße hinunter und flüchtete in Richtung Tübinger Innenstadt.

Er besorgte sich ein Messer und ging ins Parkhaus König in der Herrenberger Straße, wo er einen 65-Jährigen bedrohte, der seinen VW Golf dort geparkt hatte. Der 37-Jährige setzte sich hinters Steuer und nahm den Mann als Geisel. Wie die Polizei berichtet, ließ der Täter den 65-Jährigen eine halbe Stunde später im Französischen Viertel wieder frei und flüchtete mit dessen schwarzem Golf in unbekannte Richtung. Seitdem fehlt von dem 37-Jährigen jede Spur.

Der 65-Jährige alarmierte gegen 12.50 Uhr die Polizei. Er hatte eine leichte Verletzung an der linken Hand davongetragen. Ob der Geiselnehmer ihm diese mit dem Messer zugefügt hat, ist noch nicht klar. Wie Polizeisprecher Martin Raff erklärte, hatte man den 65-Jährigen am Nachmittag zunächst noch nicht vernehmen können.

Die Polizei konzentrierte indes alle Kräfte auf die Fahndung. Streifenwagen durchkämmten die Straßen. Ein Hubschrauber kreiste lange Zeit über der Stadt. Auch Zivilbeamte waren im Einsatz.

Zum Hintergrund: Der 37-Jährige soll am vergangenen Donnerstag in ein Wohnhaus in der Derendinger Fürststraße eingebrochen und einen roten Daihatsu Sirion gestohlen haben. Die Polizei geht derzeit davon aus, dass es auch der 37-Jährige war, der am Montag auf dem Aldi-Parkplatz in der Rosentalstraße Passanten mit einer Gabel erschreckt hat. Raff: „Aber das ist alles noch Gegenstand der Ermittlungen und noch nicht abschließend gesichert.“

Sicher ist, dass die Polizei den möglichen Einbrecher, Autodieb und Gabelfuchtler am Dienstagmorgen relativ unspektakulär geschnappt hatte. Der gestohlene Daihatsu war einer Polizeistreife morgens gegen 7 Uhr in der Düsseldorfer Straße aufgefallen. Der 37-Jährige saß im Auto. Die Beamten nahmen ihn fest.

Weil der Mann bereits wegen diverser Diebstahlsdelikte vorbestraft ist und erst Ende Juli aus der Haft entlassen worden war, beantragte die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl. Am Mittwochvormittag wurde der 37-Jährige dem Haftrichter beim Tübinger Amtsgericht vorgeführt. Daraufhin sollte er in die Justizvollzugsanstalt gebracht werden.

Viele Fragen noch offen

Einige Fragen sind unbeantwortet. Zum Beispiel, woher der 37-Jährige stammt, ob er sich in Tübingen auskennt, seine Fluchtroute vielleicht schon ausgeklügelt hatte. Polizeisprecher Raff: „Zur Herkunft des Tatverdächtigen machen wir der laufenden Fahndung wegen keine Angaben. Nur: Er ist gebürtiger Deutscher.“ Außerdem: Er ist zirka 1,80 Meter groß und schlank. Er hat einen dunklen Teint und kurze dunkle Haare.

Eine ehemalige Anwohnerin der Doblerstraße sagte dem TAGBLATT, dass es problemlos möglich ist, durch die Gärten der Häuser schnell vom Gerichtsgebäude in die Wilhelmstraße zu gelangen.

Aber wie konnte sich der 37-Jährige befreien? Haben die Polizisten die Handschellen gelockert? Sie ihm gar abgenommen? Und wie kam der 37-Jährige so schnell an ein Messer? Auch das ist alles noch unklar und Teil der Ermittlungen, so Raff. „Das Messer muss sich der Mann auf der Flucht besorgt haben. Im Gericht hatte er es nicht bei sich, das ist sicher.“

Die Polizei hatte am Nachmittag in mehreren Restaurants auf dem möglichen Fluchtweg nach Hinweisen gefragt. Angestellte von Lokalen in der Doblerstraße und am Lustnauer Tor gaben gegenüber dem TAGBLATT an, nichts mitbekommen zu haben. Das gelte auch für die Gäste. In mindestens einem Restaurant in unmittelbarer Nähe des Amtsgerichts hätte der 37-Jährige zumindest die Möglichkeit gehabt, ein Tafelmesser von einem Tisch im Außenbereich zu entwenden.

Nach Einschätzung der Polizei könnte der 37-Jährige nach wie vor mit dem gestohlenen schwarzen Golf unterwegs sein. An diesem waren zum Zeitpunkt des Raubüberfalls die Kennzeichen TÜ–LA 2104 angebracht.

Die Fahndung läuft weiter. Auch umliegende Polizeipräsidien sind miteingebunden. In der Nacht zum Donnerstag ergaben sich nach Angaben von Polizeisprecher Raff keine neuen Hinweise.

Wer den Mann gesehen oder die Flucht beobachtet hat, wird dringend gebeten, sich unter der Telefonnummer 07071/9728660 zu melden. Die Polizei warnt davor, den 37-Jährigen anzusprechen. Wer ihn trifft oder den Golf sieht, sollte über den Notruf 110 sofort die Polizei alarmieren.

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Erstellt:
30.08.2018, 03:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 14sec
zuletzt aktualisiert: 30.08.2018, 03:00 Uhr

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