Stuttgart

Polizei: Vereinzelt gegen Menschenansammlungen einschreiten

Auf den Samstag sollte es ankommen, hatte Ministerpräsident Kretschmann gewarnt. Eine Chance wollte er noch geben, damit sich auch die Uneinsichtigen an die Regeln im Kampf gegen das Coronavirus halten. Hat der Appell gewirkt?

21.03.2020

Von dpa/lsw

Ein Polizist spricht in einem Park eine Frau an. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Ein Polizist spricht in einem Park eine Frau an. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Stuttgart. Die strikten Einschränkungen im Südwesten wegen des Coronavirus werden nach Eindrücken der Polizei vom Wochenende weitgehend eingehalten. Zu größeren Menschenansammlungen sei es nur vereinzelt gekommen - öffentliche Corona-Partys seien nicht mehr festgestellt worden. Das teilte das Innenministerium am Sonntag mit.

Bis zum Sonntagnachmittag habe die Polizei landesweit aber noch 331 Verstöße gegen die Bestimmungen des Bundesinfektionsschutzgesetzes festgestellt. Es seien 317 Strafverfahren und zwölf Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten eingeleitet worden. Gerade jüngeren Menschen sei oft noch nicht klar, wie notwendig die Maßnahmen seien, hieß es.

Zuletzt hatte die grün-schwarze Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Freitag schärfere Regeln beschlossen, um die Unvernünftigen zur Raison zu bringen. Menschenansammlungen von mehr als drei Personen auf öffentlichen Plätzen sind nicht mehr erlaubt. Ausnahmen gibt es für Familien. Gaststätten und Restaurants müssen seit Samstag schließen. Essen darf aber mitgenommen werden.

Kretschmann wollte sich am Sonntagnachmittag (17.00 Uhr) nach einer Schalte mit Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten zur Lage in der Corona-Krise in Baden-Württemberg äußern.

In Freiburg gilt ein strikteres Betretungsverbot für Gruppen auf öffentlichen Plätzen. Auch daran haben sich die Bürger im Großen und Ganzen gehalten. Es gab aber Ausnahmen, wie die Polizei am Sonntagnachmittag mitteilte. Insgesamt wurden rund 50 Verstöße festgestellt. Es wurden in einem niedrigen zweistelligen Bereich Straf- und Bußgeldverfahren eingeleitet. Die Polizei musste in Freiburg zudem die Schließung von mindestens zehn Läden durchsetzen.

Um Klarheit in der Frage zu bringen, welche Unternehmen schließen müssen, hat das Wirtschaftsministerium eine Auslegungshilfe mitsamt einer Liste von Ausnahmen veröffentlicht. Vollständigkeit könne jedoch angesichts der Vielfalt von Betrieben und Branchen nicht garantiert werden, hieß es: Die Liste werde von der Landesregierung kontinuierlich aktualisiert. Zu jenen, die schließen müssen, gehören nun auch Friseure, Blumenläden und Massagestudios, während beispielsweise Hofläden und Kioske weiterhin Waren anbieten können.

In Südwesten steigt die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus rasant. 23 infizierte Menschen sind mit Stand Samstagabend bislang gestorben, mehr als 3800 haben sich mit dem Virus angesteckt.

Besonders schlimm wütet das Virus im benachbarten Elsass in Frankreich. Baden-Württemberg hat angeboten, schwerkranke Patienten aus Frankreich in Kliniken aufzunehmen. Nach Angaben eines Regierungssprechers gilt das Angebot zeitlich befristet und für eine begrenzte Zahl von Patienten. Die ersten Patienten aus dem Elsass kamen laut Wissenschaftsministerium am Wochenende im Südwesten an.

In der Autoindustrie wird die Coronavirus-Krise nach Ansicht von Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht tiefe Spuren hinterlassen. „Es soll jetzt niemand glauben, dass das in zwei Wochen erledigt ist.“ Was die Regierung derzeit unternehme, um das öffentliche Leben herunterzufahren, sei richtig und notwendig. Aber als Folge werde sich eine Wirtschaftskrise entwickeln.

Die Finanzhilfen für Unternehmen sollen nach den Worten von CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart zügig fließen. Ziel sei es, dass das Programm des Landes an diesem Mittwoch stehe und die Hilfen beantragt werden könnten. Insgesamt stünden kurzfristig 12,7 Milliarden Euro bereit. Davon kämen 6,2 Milliarden vom Land und wohl 6,5 Milliarden vom Bund. Der Landtag hatte am Donnerstag im Eilverfahren die Weichen für das Hilfsprogramm des Landes gestellt.

FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke machte noch einmal Druck: „Jeder Tag, an dem noch keine Hilfen beantragt werden können, zählt.“ Auch der SPD-Abgeordnete Boris Weirauch kritisierte: „Einmal mehr zeigt sich, dass Grün-Schwarz nur unter Druck in die Gänge kommt und nach der Entscheidung des Landtags fast eine Woche braucht, bis die angekündigten Finanzhilfen fließen können.“

Unterdessen wirbt die Landesregierung verstärkt für ihre Handy-Warn-App „Nina“. Normalerweise warnt die App bei Bränden, Bombenfunden, Gefahrstoffaustritten, Stürmen, Unwettern oder verschmutztem Trinkwasser. „Über die App weisen wir aber auch ausführlich und aktuell auf alle wichtigen Warnungen rund um das Coronavirus hin“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Wegen der Corona-Krise wurden Gottesdienste am Sonntag im Internet übertragen. So feierte der Freiburger Erzbischof Stephan Burger die Messe im Freiburger Münster vor leeren Bänken. Burger appellierte an die Solidarität und die gemeinsame Verantwortung aller Gläubigen.

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Erstellt:
21.03.2020, 15:18 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 21.03.2020, 15:18 Uhr

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