Brücke statt Unterführung am Güterbahnhof?

Planungen für neue Haltestellen der Regionalstadtbahn überarbeitet / Kosten gestiegen

Eigentlich sollten die Stadträte und Stadträtinnen gestern Abend die nächsten Schritte für die Regionalstadtbahn beschließen. Es ging um die Haltepunkte im Tübinger Stadtgebiet. Doch die Kosten sind nach neuesten Berechnungen viel höher als bisher geschätzt. Die Verwaltung schlug daher eine Über- statt Unterführung am Güterbahnhof vor. Das bereitete einigen Stadträte und Stadträtinnen so Bauchgrimmen, dass eine Entscheidung vertagt wurde.

26.01.2016

Von Gernot Stegert

Die geplante Regionalstadtbahnstrecke zwischen Tübingen und Reutlingen: Mit schwarzen Kreisen sind bestehende Haltepunkte, mit roten die vier zusätzlichen gekennzeichnet.

Die geplante Regionalstadtbahnstrecke zwischen Tübingen und Reutlingen: Mit schwarzen Kreisen sind bestehende Haltepunkte, mit roten die vier zusätzlichen gekennzeichnet.

Tübingen. Das Großprojekt Regionalstadtbahn steht noch in den Sternen, für die Innenstadtstrecke Tübingen haben Verwaltung und Gemeinderat einen Bürgerentscheid zugesichert. Doch das sogenannte Modul 1 ist politisch weitgehend unstrittig und geht ins Planfeststellungsverfahren. Dabei handelt es sich um den stadtbahngerechten Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke zwischen Herrenberg und Bad Urach. Betroffen sind drei Betreiber: die Ammertalbahn (Herrenberg bis Tübingen), die Deutsche Bahn (Tübingen bis Metzingen) und die Ermstalbahn (Metzingen bis Bad Urach). Bis Ende 2019 sollen die E-Loks fahren.

Zum Ausbau der Strecke gehört die Einrichtung von neuen Haltepunkten. Hier haben sich durch die Bürgerbeteiligung im vergangenen Jahr Veränderungen gegenüber der Ursprungsversion ergeben. Auf Tübinger Gemarkung sind nach jetzigem Stand geplant:

Ammertalbahn: In Abschnitten wird die Ammertalbahn in Unterjesingen künftig zweigleisig fahren – auch zum Passieren von Gegenverkehr. In diesen Bereichen hat das Lärmschutzgutachten die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gezeigt. Um neben den Wohngebäuden auch die Außenbereiche abzuschirmen, ist jetzt eine Lärmschutzwand vorgesehen. Zu Lage und Höhe werden derzeit zwei Varianten geprüft.

Westbahnhof: Er kann wie bisher bleiben.

Hauptbahnhof Tübingen: An Gleis 7 wird ein neuer Außenbahnsteig gebaut. Im Norden schleift ein Gleis in die Stadt aus.

Haltepunkt Güterbahnhof: Bei dem neuen Quartier ist ein extra Haltepunkt vorgesehen. Dieser sollte bisher über eine Bahnunterführung an die Schaffenhausen straße und so über die Brückenstraße auch an die Gartenstraße angebunden werden. Doch davon ist die Verwaltung nun aus Kostengründen abgekommen. Sie schlägt eine Überführung mit Fahrradrampen vor.

Haltepunkt Neckaraue: Der neue Haltepunkt Neckaraue erhält einen Mittelbahnsteig in einer Länge von 120 Metern. Außenliegende Bahnsteige wurden verworfen. Sie hätten mehr Flächen beansprucht, wodurch an den Bahnsteigen zusätzliche Gleisverlegungen erforderlich gewesen wären. Die Erschließung der Bahnsteige erfolgt über eine Bahnüberführung mit Treppenaufgängen und Aufzügen. Zusätzliche Rampen sind nicht vorgesehen.

Beim Güterbahnhof zog die Verwaltung die Kostennotbremse. Anlass war eine Machbarkeitsstudie, die der Landkreis in Auftrag gegeben hatte. Darin wurde ein Tunnel unter den Gleisen zur Schaffhausenstraße/Brückenstraße mit einer Brücke verglichen. Enthalten sind in beiden Varianten Aufzüge, Treppenanlagen und Rampen. Ergebnis waren für die Unterführung Kosten in Höhe von 7,98 Millionen Euro, eine Schätzung ging bis dato lediglich von 5 Millionen Euro aus. Vor allem die Kosten gegen das hohe Grundwasser wurden unterschätzt, so die städtische Verkehrsplanerin Karin Meyer. Die Überführung wird laut Machbarkeitsstudie auch schon 5,95 Millionen Euro teuer.

Nach den Förderrichtlinien des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG), nach dem der Bund bis zu 60 Prozent und das Land 20 Prozent eines Verkehrsprojektes zahlt, ist eine wirtschaftliche, die wirtschaftlichste Lösung anzustreben. „Der Bund schaut genau hin“, sagte Meyer gestern. Und auch Baubürgermeister Cord Soehlke verwies darauf. Die Stadt müsste also die Differenz zwischen Tunnel und Brücke in Höhe von zwei Millionen Euro aus der eigenen Tasche bezahlen. Die Stadt rechnet ohnehin damit, für die Rampe (Kosten 2,38 Millionen Euro) selbst aufkommen zu müssen. Denn barrierefrei ist ein Übergang auch ohne Rampe durch einen Aufzug. Rampen ermöglichen Radfahrern die Querung der Gleise. Zuschussfähig ist also die Basisversion einer Überführung für 3,57 Millionen Euro. Für eine Fahrradrampe müsste die Stadt 2,38 Millionen draufzahlen, für eine Unterführung 4,41 Millionen Euro.

In der Debatte im Planungsausschuss hatten etliche Stadträte und Stadträtinnen Bauchschmerzen, vor allem aus der AL/Grünen-Fraktion. Man müsse ein Bahnhof für 100 Jahre bauen und dürfe nicht bloß aufs Geld schauen, sagte etwa Christoph Lederle. Eine Überführung habe auch deutlich mehr Stufen als eine Unterführung. Susanne Bächer verwies auf die bauenden künftigen Anwohner, die dann „so ein Gestell vor der Nase“ hätten. Laut Verwaltungsvorlage wird die Brücke „im Stadtbild sichtbar sein“. Die Rampen waren in der Vorlage 90 Meter lang bei einer Steigung von acht Prozent. Meyer hat aber kurz vor der Sitzung noch einmal eine Version mit nur 6 Prozent erstellt. Das ist weniger als die über 7 Prozent vom LTT zur Blauen Brücke hoch. „Das ist für Radfahrer machbar“, sagte Soehlke. Stadtplanerin Barbara Landwehr brachte als Argument: „Überführungen vermeiden Angsträume“, wie eben dunkle Tunnel.

Martin Sökler (SPD) plädierte für eine Überführung, gerade als Stadtbahnbefürworter: „Wir müssen aufs Geld schauen, um das Projekt nicht zu gefährden.“ Er könne sich sogar eine Variante ohne Rampe vorstellen. Soehlke erwähnte, dass es für eine Rampe vielleicht aus einem Fahrradtopf Zuschüsse bis zur Hälfte, also 1,2 Millionen Euro, gebe. Auch Dietmar Schöning (FDP) hielt die Unterschiede zwischen Tunnel und Brücke für nicht so gravierend, dass sie 2 oder mehr Millionen Euro rechtfertigen. Ernst Gumrich sagte, seine Tübinger Liste sei noch uneins. Ein Meinungsbild ergab ein Patt. Die Frage wurde zurück in die Fraktionen verwiesen.

Noch kurz vor der Ausschusssitzung haben die städtischen Verkehrsplaner eine Überführungsvariante mit nur 6 Prozent Steigung vorgelegt. In der Mitte von links bis rechts die Gleise, senkrecht der Steg mit Treppen und Fahrstuhl. Oben und unten seitlich sind die Rampen für Radler zu erkennen. Zeichnung: Stadt Tübingen

Noch kurz vor der Ausschusssitzung haben die städtischen Verkehrsplaner eine Überführungsvariante mit nur 6 Prozent Steigung vorgelegt. In der Mitte von links bis rechts die Gleise, senkrecht der Steg mit Treppen und Fahrstuhl. Oben und unten seitlich sind die Rampen für Radler zu erkennen. Zeichnung: Stadt Tübingen

Bisher sind vier neue Haltepunkte geplant

Im ersten Modul der Re gio  nalbahn sind vier zusätzliche Haltepunkte geplant: Güterbahnhof und Neckar aue in Tübingen, Bösmannsäcker und Storlach in Reutlingen. Auf einen fünften Halt in Metzingen-Süd hat der dortige Gemeinderat nach Anwohner-Protesten verzichtet. Vielleicht sind wegen enger Kapazitäten auf der Strecke aber auch nur drei Halte möglich. Bösmannsäcker und Güterbahnhof seien gesetzt, sagte Elke Weiss, Projektleiterin für die Stadtbahn beim federführenden Reutlinger Landratsamt jüngst unserem „Reutlinger Blatt“. Die Ergebnisse einer Untersuchung dazu durch die Bahn (DB Netz) würden in den nächsten Wochen erwartet.

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Erstellt:
26.01.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 40sec
zuletzt aktualisiert: 26.01.2016, 01:00 Uhr

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