ADHS

Placebo-Feedback hilft auch

Mit Verhaltenstherapie lässt sich die Aufmerksamkeits-Störung effizienter behandeln als mit Neurofeedback-Training, fanden Tübinger Psychologen heraus.

24.08.2017

Von ST

Ein verhaltenstherapeutisches Gruppentraining erzielt als Therapieform bei einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) genauso gute Erfolge wie ein Neurofeedback-Training. Beide Methoden führen bei Erwachsenen zu einer vergleichbaren Abnahme der Symptome. Das ergab eine Forschung von Klinischen Psychologen der Universität Tübingen.

Die Verhaltenstherapie erweise sich dabei aber als insgesamt effizienter, sagt Michael Schönenberg, der das Team aus der „Klinischen Psychologie und Psychotherapie“ leitete. In der Studie wurde verschiedene Therapieformen mit erwachsenen Probanden getestet. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin The Lancet Psychiatry veröffentlicht.

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine bereits im Kindes- und Jugendalter beginnende psychische Störung, die bei bis zu 60 Prozent der Fälle auch im Erwachsenenalter fortbesteht und zu Schwierigkeiten im Berufs- wie auch Privatleben führen kann. Betroffene berichten von Symptomen wie Impulsivität, geringere Stresstoleranz, innerer Ruhelosigkeit und Getriebenheit. Dazu kommen Schwierigkeiten in Planung und Organisation sowie die Unfähigkeit, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren und diese zum Abschluss zu bringen. Mit Medikamenten lassen sich die Symptome gut behandeln, ähnliche Erfolge werden auch für nicht pharmakologische Therapieformen berichtet.

Eine dieser Therapieformen ist das Neurofeedback, eine Methode, bei der Patienten lernen sollen, ihre Hirnströme gezielt zu beeinflussen und so einen Rückgang der Symptome zu erreichen. Frühere Studien konnten überzeugend zeigen, dass ADHS-Symptome tatsächlich nach einem solchen Training abnehmen. Dennoch ist umstritten, ob die Verbesserung tatsächlich auf die spezifische Wirkung des Trainings zurück zu führen ist oder eher der Wirkung unspezifischer Placebo-Effekte zugeschrieben werden muss.

Neurofeedback ist umstritten

In einer Studie verglichen jetzt die Tübinger Psychologen gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Bamberg, Bayreuth und Budapest verschiedene Therapien miteinander: ein Neurofeedbacktraining, ein Placebotraining (bei dem die Teilnehmer nicht die eigenen Hirnströme rückgemeldet bekamen) und ein verhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm, bei dem unter anderem spezifische Strategien zur Handlungsplanung, ein verbessertes Zeitmanagement und Stressbewältigungstechniken eingeübt werden. 118 Erwachsene mit ADHS-Symptomatik erhielten dafür über einen Zeitraum von 15 Wochen entweder insgesamt 30 Sitzungen Neurofeedback oder 15 Sitzungen Placebotraining und im Anschluss daran 15 Sitzungen Neurofeedback.

Eine weitere Vergleichsgruppe erhielt über 12 Wochen insgesamt 12 Sitzungen verhaltenstherapeutische Gruppentherapie. Verglichen wurden Veränderungen in der Symptomschwere, in objektiven Tests zur Konzentrationsfähigkeit und in zugrundeliegenden Hirnstrommustern über vier Messzeitpunkte von vor Beginn der Intervention bis zu sechs Monaten nach Trainingsende.

Dabei stellte sich heraus, dass die Effekte einer Neurofeedbackintervention denen eines Placebotrainings nicht überlegen waren, berichten die Wissenschaftler. Beide Trainings hätten eine gute Wirkung gezeigt. Einen spezifischen Effekt des Neurofeedbacks auf die Hirnströme habe man jedoch nicht nachweisen können.

Es habe sich außerdem gezeigt, dass das verhaltenstherapeutische Gruppentraining ebenfalls zu einer vergleichbaren Abnahme der Symptome führe, sagt Projektleiter Michael Schönenberg. „Und dies bei wesentlich geringerem Aufwand der Methode. Unter anderem braucht es weniger Sitzungen, statt Einzeltraining ist ein Gruppentraining möglich, und es entstehen keine Zusatzkosten durch Anschaffung und Unterhaltung der technischen Voraussetzungen.“

Die Befunde der Studie fasst er so zusammen: „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass verhaltenstherapeutische Ansätze sehr effektiv und effizient in der Behandlung von ADHS-Symptomen im Erwachsenenalter sind. Bevor andere Methoden für die Therapie empfohlen werden können, müssen diese erst ihre Überlegenheit gegenüber verhaltenstherapeutischen Standardmethoden unter Beweis stellen.“

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Erstellt:
24.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 37sec
zuletzt aktualisiert: 24.08.2017, 01:00 Uhr

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Dr. Edith Schneider 26.08.201710:43 Uhr

Was passiert, wenn Verhaltenstherapeuten vergessen wie Lernen geht?
Dann kommen solche Studien zustande. Schade, dass hier nur Schlagzeilen nachgeplappert werden ohne sich die Mühe zu machen die Studie zu lesen. Denn spätestens dann merkt man, dass sich die Autoren mit dem Design des Neurofeedback ins wissenschaftliche Aus katapultieren. Nicht nur verwenden sie eine veraltete Methode, vor 40 Jahren aktuell, sie wenden sie auch noch falsch an. Wenn ich jemanden zu 80% der Zeit belohne, egal was er gerade macht, dann kann kein Lernen stattfinden. Verhaltenstherapeuten müssten sowas wissen. Dazu kommt noch, dass nicht beschrieben wurde, ob eine Kontrolle angewandt wurde, die falsche Ergebnisse aufgrund erhöhter Muskelspannung ausschließt. Wenn in der Studie dann noch Neurofeedback als „Maschinentraining“ angewandt wird und nicht als therapeutische Methode, die von geschulten Therapeuten durchgeführt werden muss, dann wundert einen nicht mehr was dabei rauskommt. Garbage in, Garbage out!

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