Kino

Pioniere aus Pixeln

Mit „Toy Story“ begann vor 25 Jahren der Erfolg der computeranimierten Filme – und der Umbruch einer ganzen Branche: Längst entstehen selbst klassische 2D-Trickfilme weitgehend am Rechner.

19.11.2020

Von EPD

Die beiden Helden von „Toy Story“: Buzz Lightyear (links) und Woody sind am Anfang Konkurrenten, doch sie werden zu Freunden  und 1995 zu Pionieren des digital animierten Kinos. Foto: Snap/Shutterstock.

Die beiden Helden von „Toy Story“: Buzz Lightyear (links) und Woody sind am Anfang Konkurrenten, doch sie werden zu Freunden und 1995 zu Pionieren des digital animierten Kinos. Foto: Snap/Shutterstock.

Zwei Spielzeugfiguren, Cowboy Woody und Astronaut Buzz Lightyear, werden von Rivalen zu Freunden: So einfach ist die Geschichte von „Toy Story“. Es war der erste Film, der komplett am Computer erzeugt wurde. Vor 25 Jahren kam er in die Kinos: Am 19. November 1995 hatte er in den USA Premiere, im März 1996 kam er in die deutschen Kinos. Er wurde ein Riesenerfolg. Mit seinen drei Fortsetzungen – die letzte lief erst 2019 über die Leinwände – hat „Toy Story“ inzwischen weltweit 2,6 Milliarden Euro nur an den Kinokassen umgesetzt.

Beim Erscheinen des ersten Teils setzte dieser vor allem technisch neue Maßstäbe. „Toy Story war das Ankommen der Computergrafik in der kommerziellen Filmlandschaft“, sagt Ulrich Wegenast, Künstlerischer Leiter des Internationalen Trickfilmfestivals in Stuttgart. „Alles, was davor kam, waren nur Experimente.“

Beinahe hätte es den Film gar nicht gegeben. Als die Macher ihr Werk in einem frühen Stadium erstmals einem Testpublikum zeigten, fiel er so dermaßen bei den Zuschauern durch, dass Financier Disney kurz davor stand, das komplette Projekt einzustampfen. Dabei war das Studio selbst schuld. Disney-Animationschef Jeffrey Katzenberg hatte Regisseur John Lasseter und sein Team so lange gedrängt, die Geschichte um lebendiges Spielzeug mit sarkastischen Sprüchen hip und cool zu machen, bis keiner mehr die Charaktere leiden konnte. Nach dem Desaster bei der Testvorführung blieben dem Pixar-Team nur zwei Wochen, um „Toy Story“ mit Drehbuchänderungen das Herz zurückzugeben und sich ihre kreative Freiheit zurückzuerobern – so zumindest lautet heute die Legende.

Lasseter, dem 2017 im Zuge der #MeToo-Bewegung einige Kolleginnen sexuelle Belästigungen vorwarfen, hatte Disney 1983 verlassen, um für Pixar zu arbeiten. Damals war die Firma noch die Forschungsabteilung für Computergrafik von Star-Wars-Regisseur George Lucas.

Die digitalen Kurzfilme aus Lasseters Team begeisterten in den 80ern vor allem die Technik-Nerds. Mit dem Fünfminüter „Tin Toy“ gewann dann aber 1988 auch erstmals ein Werk aus dem Hause Pixar den Oscar für den besten animierten Kurzfilm.

Aus „Tin Toy“ entstand die Idee, einen längeren Film über lebendige Spielzeuge zu machen – und dabei die Schwächen des Rechners, in dessen Bildern alles ein bisschen wie Plastik aussieht, in Stärken zu verwandeln. „Toy Story“ sorgte nicht nur dafür, dass ab den 2000er-Jahren fast jeder Film aus dem Computer kam, sondern auch dafür, dass jeder ein Stück vom Kuchen abhaben wollte. Gerade in Europa wollten alle zeigen: Wir können das auch.

Der Film habe die Animationsbranche verändert, sagt Wegenast: „Eine Weile war es unmöglich, überhaupt noch zweidimensional animierte Filme zu machen.“ Erst in den vergangenen fünf bis zehn Jahren habe sich die Lage ein wenig beruhigt, erklärt Wegenast: „Der schaustellerische Aspekt von 3-D-Computergrafik hat sich abgenutzt. Heute suchen wir oft händeringend Menschen, die noch in 2-D arbeiten können.“ Der Computer ist dennoch aus der Animation nicht mehr wegzudenken. Selbst zweidimensional aussehende Filme sind häufig Hybride, in denen beispielsweise die Hintergründe dreidimensional sind.

In den vielen 3-D-Animationsfilmen, die auf dem „Toy Story“-Trittbrett mitfuhren, konnte Jeffrey Katzenberg dann übrigens auch seinen fieseren Humor unterbringen. Er verließ Disney und bescherte der Welt mit seinem neuen Studio DreamWorks Hits wie „Shrek“ und Flops wie „Große Haie, kleine Fische“. Insgesamt sorgte der neue Boom des Trickfilms für eine Bandbreite, wie man sie seit den 70er Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Pixar, seit 2006 für einen Kaufpreis von 7,4 Milliarden Dollar Teil des Disney-Imperiums, gelang dann eine Reihe von außergewöhnlichen Hits wie „Findet Nemo“ und „Oben“, der 2009 sogar die Filmfestspiele von Cannes eröffnete. Alexander Matzkeit