Frauenboxen

Pionierarbeit in Tübingen

Boxen ist nicht nur ein Männersport: Beim SV 03 Tübingen zum Beispiel betreiben regelmäßig vier, fünf Mädchen diesen Sport. Tradition verpflichtet: Denn von Tübingen aus wurde Frauen-Boxen eigentlich erst salonfähig gemacht.

06.09.2014

Von Tobias Zug

Durch Ulrike Heitmüller. Sie studierte in den 1990er Jahren in Tübingen Theologie und boxte beim SV 03 – für Frauen damals außergewöhnlich.

1994 beantragte die damals 27-Jährige beim Deutschen Amateur-Box-Verband (DABV), dass auch Frauen offiziell zu Wettkämpfen zugelassen werden. Was bundesweite Diskussionen in allen Medien hervorrief. Dem Antrag wurde zuerst nicht stattgegeben. Doch Heitmüller kämpfte weiter: Im November 1994 bestritt sie ihren ersten Kampf und titulierte diesen als öffentliches Training, damit es nicht verboten werden kann. Sie trat in Talkshows wie im damaligen Deutschen Sportfernsehen (DSF) auf. Zeitungen und Nachrichten-Magazine wie der „Spiegel“ berichteten über das Ansinnen Heitmüllers und Sinn und Unsinn von Frauenboxen. Ein Jahr später hat es Heitmüller dann geschafft: Im Sommer 1995 wurde Frauenboxen offiziell erlaubt. Seit 2003 werden auch Deutsche Meisterschaften ausgetragen.

Als Heitmüller beim SV 03 Tübingen als einzige Frau boxte, „da haben sie die Kollegen nicht so ernst genommen“. Sagt Khaled El Kurdi. Der 52-Jährige ist heute Trainer der SV 03-Boxer. Vor über 20 Jahren fragte ihn Ulrike Heitmüller, ob er sie nicht privat trainieren möchte. El Kurdi war in seinem Heimatland Libanon Amateur-Boxmeister. Vom Frauenboxen hatte er keine Ahnung. „Aber das war für mich interessant, sie zu trainieren“, sagt er heute, „ich wollte diese Frau unterstützen.“ In den USA hatte El Kurdi Verwandte. Die berichteten ihm, dass in ihrem Land Frauen boxen. „Da dachte ich, warum soll das nicht auch hier möglich sein? Vielleicht wird das auch mal in Deutschland erlaubt werden.“

Khaled El Kurdi trainierte meist an den Wochenenden auf dem Gelände des Tübinger Instituts für Sportwissenschaft mit Heitmüller. Informiert habe er sich nicht großartig, wie und ob mit Frauen speziell trainiert werden musste. El Kurdi holte seine Pratzen heraus, auf die Heitmüller gezielt schlagen musste, ging mit ihr joggen, übte verschiedene Schläge und Kombinationen. El Kurdi: „Das war richtig professionell.“ Nur bei ihrem ersten Kampf in Hamburg, der medial große Beachtung fand, da durfte El Kurdi sie nicht begleiten. Weil er nicht die hierfür benötigte Trainerlizenz hat. „Sie hat sich über das Fernsehen aber bei mir bedankt“, sagt er.

Heute hat Khaled El Kurdi keinen Kontakt mehr zu Ulrike Heitmüller. „Ich weiß auch gar nicht mehr, wo sie lebt und was sie macht.“ Ulrike Heitmüller ist mittlerweile freie Politik-Journalistin und lebt in Berlin. Und war vor zwei Jahren wieder gefragte Gesprächspartnerin in den Medien. Als bei den Olympischen Spielen in London erstmals Frauen boxen durften.