Klima

Die ewige Suche nach dem Schnee

Die Skispringer starten am Wochenende in den Weltcup. Wie Biathleten und Langläufer haben sie sich auf die unberechenbaren Winter eingestellt. Trotz allem fehlt ihnen etwas.

15.11.2018

Von UTE GALLBRONNER

Deutsche Meister werden im Sommer gekürt: Mitte Oktober lieferten sich Fabian Rießle und Co. im Schwarzwald packende Wettkämpfe auf Skirollern. Foto: Patrick Seeger/dpa

Deutsche Meister werden im Sommer gekürt: Mitte Oktober lieferten sich Fabian Rießle und Co. im Schwarzwald packende Wettkämpfe auf Skirollern. Foto: Patrick Seeger/dpa

Ulm. Ziemlich viel Verkehr herrscht derzeit in Susjøen. Im norwegischen Skizentrum, 20 Kilometer oberhalb von Lillehammer gelegen, treten sich Biathleten vieler Nationen gegenseitig auf die Skienden. Denn wo im vergangenen Jahr noch kilometerlange Loipen zum Training in den schier unendlichen Weiten eingeladen haben, herrscht derzeit Tristesse.

Auf zwei kleinen Runden tummelt sich das „Who is Who“ der Biathlon-Szene. Martin Fourcade reist heute wieder ab, die Slowenen haben sich gerade in die Heimat aufgemacht, dafür sind jetzt die Deutschen da – und wurden von Dauerregen empfangen. „Der Schnee fehlt, aber hart trainieren kann man trotzdem“, meldet sich Simon Schempp, gestern 30 Jahre alt geworden, auf Instagram zu Wort. Dazu gibt's ein Video von Treppenläufen in der Halle.

Alle sehnen sich nach Schnee. Es ist keine Neuigkeit: Der Klimawandel stellt den Wintersport vor Herausforderungen. Nun hatten im Vorjahr die Skandinavier üppig Schnee, bis lang ins Frühjahr hinein. Im Schwarzwald kam der gewünschte Niederschlag spät, blieb dafür aber lange. Jetzt bangt man mancherorts sogar darum, ob man überhaupt Schnee produzieren kann, wenn es denn mal kalt genug wird. Nach dem trockenen Sommer fehlt das Wasser.

Die Wintersportler sehen natürlich, was aus ihren gewohnten Domizilen wird oder bereits geworden ist. Als „erschreckend“ empfindet Kombi-Olympiasieger Eric Frenzel die Entwicklung: „Wenn ich als Jugendlicher auf dem Dachstein-Gletscher unterwegs war, konnte ich direkt an der Bahn die Ski anschnallen und loslaufen. Jetzt muss man erst eine Weile unterwegs sein, bis man an die Loipen kommt.“

Was die Vorbereitung angeht, sind die nordischen Sportler nicht so abhängig vom Schnee wie die Alpinen. Längst haben sich alternative Trainingsformen durchgesetzt. Gesprungen wird das ganze Jahr über auf Matten. Die großen Schanzen in Mitteleuropa verfügen über große Schneedepots und können Mangel kompensieren. Dabei geht es ohnehin nur um den Auslauf, für die Anlaufspur braucht man keinen Schnee mehr.

Am Wochenende starten die Springer im polnischen Wisla in den Weltcup. Das deutsche Team war zum Abschlusstraining in Oberstdorf, wo es seit mehr als zehn Jahren ein Spurkühlungssystem gibt. Bereits Mitte Oktober wurde dort für eine Eisspur gesorgt, um unter realen winterlichen Wettkampfbedingungen trainieren zu können. Dass man bei der Landung Matten unter den Füßen hat, stört da nicht.

„Wir hoffen, dass es den Organisatoren in Wisla trotz der warmen Witterung gelingt, die Anlage optimal zu präparieren“, sagt Bundestrainer Werner Schuster. Man sei „auf einem guten Weg“, heißt es dazu aus Wisla. Obwohl die Temperaturen auch in der Nacht nicht unter den Gefrierpunkt sinken, ist es kalt genug, um Schnee zu produzieren. Es wird gesprungen am Wochenende, es sei denn der Wind bläst – oder es schneit plötzlich stark.

Die Kombinierer waren zuletzt in Graubünden. Auch hier ein ähnliches Bild wie in Norwegen: Ein schmales weißes Band zieht sich durch grün-braune Landschaft. Aber immerhin: Es ist Schnee. Für das finnischen Ruka, wo für 24./25. November wie seit Jahren der Weltcup-Auftakt angesetzt ist und man sich mit Langläufern wie Springern trifft, meldet der aktuelle Loipenbericht 4 von 159 Kilometern sind geöffnet. Aber in Lappland um Ruka und Kuusamo ist es mittlerweile kälter, das Thermometer fällt beständig unter die 0-Grad-Grenze.

Die Biathleten in Sjusøen hoffen weiter. Sie sehnen sich danach, die Skiroller einzupacken und die Langlauf-Ski unterzuschnallen. Manche Teams waren in den vergangenen Wochen in der Skihalle in Oberhof. Doch die ist natürlich kein Ersatz für giftige Anstiege und lange Einheiten.

Am Feinschliff wird gearbeitet

Das Laufen auf den Skirollern macht mittlerweile einen Großteil des Trainings aus, wenngleich es natürlich Unterschiede zwischen den Sportgeräten gibt. „Das Gleiten kann man auf Rollern nicht lernen“, sagt Nachwuchs-Bundestrainer Andreas Birnbacher. Im Vergleich zu Skiern wird mehr Kraft gebraucht, was fürs Sommertraining gar nicht schlecht ist. Den Feinschliff muss man sich auf Schnee holen.

Die slowenischen Biathleten sind zurück in ihrer Heimat. Denn dort ist in Pokljuka für den 2. Dezember der Weltcup-Auftakt vorgesehen. Der Wetterbericht verspricht bis dahin Schnee und kältere Temperaturen.

Routinier Klemen Bauer sieht das alles inzwischen gelassen: „Die Umstellung von Rollern auf Ski ist kein großes Problem mehr. Ich denke, man könnte auch eine Woche vor dem Wettkampf noch umstellen.“ Trotzdem wünscht sich der 32-Jährige natürlich eine Winterlandschaft nicht nur für Wettkämpfe: „Was mir wirklich fehlt, sind die langen Einheiten über eineinhalb Stunden mit Stirnlampe in den Wäldern.“ Winter eben. Darauf hoffen nun auch die deutschen Biathleten in Norwegen. Die Aussichten? Eher bescheiden.

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Erstellt:
15.11.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 15.11.2018, 06:00 Uhr

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