Scoperty

Per Klick zum Traumhauswert

Das Start-up veröffentlicht Schätzwerte für mehr als 35 Millionen Immobilien hierzulande – ohne Wissen der Besitzer. Kritik kommt nicht nur von Maklern.

02.03.2021

Von JULIA KLING

Ulm. Wie viel ist das Haus des Nachbarn wert? Ist der Kaufpreis der Traumimmobilie überhöht oder ist sie gar ein Schnäppchen? Die Münchner Firma Scoperty verspricht schnelle Antworten auf diese Fragen. Auf der gleichnamigen Homepage lassen sich mit wenigen Klicks Schätzwerte für mehr als 35?Millionen Immobilien hierzulande abrufen – auf die Hausnummern genau und ohne Wissen des Eigentümers. Interessenten und Verkäufern können die Daten möglicherweise helfen. Es gibt aber auch Kritik.

„Bisher gibt es für diesen Teil des Marktes kaum Informationen“, sagt Scoperty-Geschäftsführer Michael Kasch. Deshalb sei es für Kaufinteressenten und Verkäufer oft schwer, einen fairen Preis für eine Immobilie zu finden. Mit seinem Start-up, zu dessen Investoren die niederländische Großbank ING und der Immobilienbewerter Sprengnetter gehören, will Kasch genau das ändern. Das im April 2019 gegründete Unternehmen, das mittlerweile etwa 90 Prozent der Häuser und Wohnungen in Deutschland abbildet, füttert mit den Daten von Marktforschungsinstituten wie der Infas 360 GmbH oder Sprengnetter einen Algorithmus, der damit Schätzwerte für Wohnimmobilien angeben kann. In die Bewertung fließen Scoperty zufolge etwa vorherige Transaktionsdaten in der Gegend ein, ebenso Angebotspreise und Lageinformationen sowie Daten, die etwa von Katasterämtern stammen: Adresse, geschätzte Wohn- und Grundstücksgröße, das Baujahr und der Objekttyp.

Aber bieten diese Daten tatsächlich einen Mehrwert? „Wenn versprochen wird, dass Big Data mehr Preistransparenz bieten kann als bisher, stimmt mich das skeptisch“, sagt Steffen Sebastian, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Regensburg. Häuser und Wohnungen seien nur begrenzt vergleichbar, da sie sich in vielen Faktoren unterscheiden können. Um valide Aussagen zu machen, brauche es tiefer gehende Informationen. Zudem müssen die angelegten Parameter korrekt sein. Bei einer stichprobenartigen Abfrage wichen die Angaben etwa beim Baujahr teils erheblich von den eigentlichen Jahreszahlen ab. „Es handelt sich um ganz grobe Schätzwerte mit hoher Fehleranfälligkeit“, sagt Matthias zu Eiken vom Eigentümerverband Haus & Grund.

„Nehmen Sie zum Beispiel Reihenhäuser“, erklärt der Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung. „Sie sind zwar alle ähnlich, unterscheiden sich aber in Ausstattung und Zustand.“ All das habe aber Einfluss auf den Wert der Immobilie. „Selbst die Frage, an wen eine Wohnung oder ein Haus vermietet ist, kann eine Rolle spielen.“

Das weiß auch Scoperty-Gründer Kasch. „Eigentümer können deshalb auch gezielt Daten für ihre Immobilie einstellen“, erklärt er. Der Wert für ein Objekt könne so präzisiert werden. Wer verkaufen will, könne sein Haus oder seine Wohnung als offen für Gebote kennzeichnen. Auf dem Marktplatz tauchen aber auch Daten von Immobilien auf, die gar nicht zum Verkauf stehen. „Ein Preisschild für eine Immobilie, die nicht zum Verkauf steht, führt nicht zu mehr Transparenz, sondern zu mehr Missverständnissen“, sagt zu Eiken. Kasch kontert: „Wer will, dass die Daten seiner Immobilie nicht auftauchen, kann sie löschen lassen.“ Darauf weist auch die Verbraucherzentrale Niedersachsen hin. Ein Widerspruch sei ohne besonderen Grund möglich.

Laut zu Eicken lassen die angegebenen Preisspannen auch zu viel Spielraum. Für Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus in begehrter Frankfurter Lage etwa werden auf dem Portal geschätzte Flächen von 57 bis 105 Quadratmetern und Preise von 435?000 bis 808?000 Euro angezeigt. Auch der Maklerverband IVD sieht das Start-up noch misstrauisch. „Scoperty ist im Moment keine große Hilfe, es verwirrt mehr, als dass es nützt“, erklärt Stephan Kippes, Leiter der Marktforschung beim IVD Süd. Laut Kippes basierten die Bewertung teils auf Angaben mit lediglich neun Prozent Vollständigkeit. Daher sei fraglich, ob eine Bewertung auf solch einer Basis seriös ist.

Eigentümer mit Verkaufsabsicht sollten einen Experten zurate ziehen, rät Haus & Grund. Sebastian betont, dass solch ein Angebot jedoch eine grobe Richtschnur sein könne. „Am Ende muss man aber mit einer realistischen Preisvorstellung in den Markt gehen.“ mit dpa