Nur keine Mittagsroutine!

Pausengespräch: Sozialamtschefin Uta Schwarz-Österreicher sucht die Abwechslung

Ein kurzer Blick ins Café Binder und Uta Schwarz-Österreicher weiß: In ihrer Lieblingsecke „hinten draußen“ ist ein Tisch frei. Das TAGBLATT begleitete die Tübinger Sozialdezernentin zu diesem lauschigen grünen Hinterhof-Plätzchen und teilte die Mittagspause mit ihr.

09.08.2016

Von Ulla Steuernagel

Ein lauschiges Plätzchen: Im Café Binder in der Nonnengasse verbringt Uta Schwarz-Österreicher gerne ihre Mittagspause. Bild: Metz

Ein lauschiges Plätzchen: Im Café Binder in der Nonnengasse verbringt Uta Schwarz-Österreicher gerne ihre Mittagspause. Bild: Metz

Tübingen. Uta Schwarz-Österreicher bestellt Dreierlei für ihr Mittagsbankett. Das klingt opulent, ist es aber nicht: Es handelt sich nämlich um einen Cappuccino, ein Joghurt mit Früchten und ein Vollkornbrötchen. Joghurt selbstverständlich ohne Zuckerzusatz: gesund, vernünftig, frisch.

Schwarz-Österreicher ernährt sich bewusst und würde sich mittags sicher keine Spätzle mit Soße und Fleisch bestellen: „Das ist nicht mein Ding!“ Eine Zeitlang hatte sie es auch mal mit der berühmten Brotbox versucht, aber: „Man muss morgens dran denken und so viel besser ist das auch nicht“, sagt sie lachend.

Vesperdose ja oder nein, das hängt auch ein bisschen von Wetter und Jahreszeit ab. In der ersten Frühjahrssonne sitzt Schwarz-Österreicher gerne am Affenfelsen. Das ist der Ort, an dem auch dann schon zur Mittagsstunde erste Strahlen spürbar sind.

Mit der Brotbox im Büro und am Schreibtisch sitzen und durcharbeiten, das will Schwarz-Österreicher auf keinen Fall. Wäre ja auch noch schöner, wenn die frühere „Sozialamtsleiterin“ und in Neuamtsdeutsch „Leiterin für den Fachbereich Familie, Schule, Sport und Soziales“ sich dem Sozialen im stillen Kämmerlein verschlösse.

Gut, in der Stadt begegnen ihr nicht nur tausend, sondern gar „zweitausend Leute, die mich kennen“. Umgekehrt kann sie die Bekanntschaft nicht immer erwidern. „Aber wenn ich den Namen nicht weiß, nimmt man mir das nicht übel“, so ihre Erfahrung. Die meisten können sich eben ausrechnen, wieviele Schwarz-Österreicher schon bei Veranstaltungen gesehen haben und dass sie umgekehrt sich nicht einen ganzen Saal einprägen kann.

Rausgehen, den Kopf frei bekommen, auch mal ein bisschen Ruhe haben für ein Gespräch, danach steht ihr mittags der Sinn. Lieber später das Büro verlassen, als auf die Mittagspause zu verzichten? „Eindeutig ja“, sagt die Frau, die seit 23 Jahren ein Büro in der Fruchtschranne hat. Ein Umzug in den Blauen Turm blieb dem Sozialamt erspart – so hat es die Altstadt direkt vor seiner Tür liegen.

Schwarz-Österreicher schaltet in der Mittagspause nicht in den Routinemodus. Variationen sind ihr wichtig. „Das ist für mich ein kleiner Ausbruch aus dem Alltagskorsett.“ Und selbst beim Jour fixe, den sie mit einer „3M-Runde“ hat, geht es mal hierhin und mal dorthin. „3M“ heißt weder, so erklärt sie lachend, drei Mahlzeiten noch drei Multiplikatoren. Es steht schlicht und einfach für jeden dritten Mittwoch im Monat, dann nämlich gibt es einen „Führungsfrauen-Treff aus der Stadtverwaltung“. Von den zwölf Frauen, die auf der Verteilerliste stehen, seien in der Regel fünf bis sechs anwesend.

Uta Schwarz-Österreicher ist fest mit Tübingen verbunden. Nicht nur weil sie für einen wichtigen und vorbildlichen Teil der Tübinger Infrastruktur verantwortlich ist – die Kinderbetreuungseinrichtungen und die Schulen. Gleich nach dem Abitur hatte sie den Sprung von Lüneburg nach Tübingen gemacht. Als sie 1971 hier ankam, war sie gerade mal 17 Jahre alt und begann in einem der ersten Studienjahrgänge Sozialpädagogik zu studieren. Schon mit 12 Jahren hatte sie ihre Mutter mit der Ankündigung überrascht: „Ich möchte Fürsorgerin werden!“ Berufe wie Tierärztin oder Zoogründerin hatte sie da schon hinter sich gelassen. Durch ein Kinderbuch über ein Mädchen, das von einer Fürsorgerin gerettet wurde, war sie auf die soziale Tätigkeit aufmerksam geworden.

Die Mutter war nicht begeistert von der Idee, deshalb habe sie das Mädchen nicht in die Schule gehen lassen, fand sie. In die Schule zu gehen hatte sich die Tochter erkämpfen müssen. Vier Stiefgeschwister, ein früh verstorbener Vater und eine allein erziehende Mutter, diese familiären Umstände machten höhere Bildung nicht selbstverständlich. Sie habe das Privileg zu schätzen gewusst, aber auch in der eigenen Familie schmerzhafte Brüche in den Biografien kennengelernt. Ein Stiefbruder etwa hatte die Flucht der Familie aus Stettin und den frühen Verlust der Mutter nicht verkraftet: Er scheiterte an verschiedenen Ausbildungen und lebte sogar eine Zeitlang auf der Straße.

Uta Schwarz-Österreicher erklomm nach dem Studium schnell die Leitungsebene. Noch eine Stufe höher zu steigen war ihr nie wichtig. „Ich bin zufrieden mit der Ebene, auf der ich bin.“ Zumal die da, so setzt sie hinzu, auch noch viel Kontakt zu ihren Klienten hat.

Schwarz-Österreicher strahlt Ruhe und Kompetenz, aber auch Entschiedenheit aus. Nur gerade einmal ein Jahr ihrer gesamten Berufstätigkeit war sie nicht in einer leitenden Funktion. Damals war sie 23 Jahre alt und im ersten Berufsjahr. Kurz darauf wurde sie Chefin über die Kinderkrippen der Stadt München. „Das war furchtbar“, erinnert sie sich an den damaligen Zustand der Kleinkindunterbringung: Frauen in grauen Kitteln, Kleinkinder in Gitterbettchen und die Uhrzeit gab den Takt an, wann gewickelt, gegessen, geschlafen wurde.

Apropos Uhr: Eine dreiviertel Stunde ist vorbei, Schwarz-Österreicher muss zurück an den Schreibtisch. Arg lang wird sie nicht mehr in ihr Büro gehen. Ende des Jahres oder je nach Nachfolge im nächsten Frühjahr geht sie in den Vorruhestand. Sie mag ihre Arbeit, aber auch mal ohne sie zu sein, erscheint ihr ebenfalls verlockend. Und Mittagspausen wird es auch im Ruhestand noch geben.

Eine kleine Unterbrechung der Arbeit

Wo und wie verbringen Sie Ihre Mittagspause? Das fragt das TAGBLATT jedes Jahr im Sommer, macht den Pausenbegleiter und sucht das Pausengespräch. Beim Brot aus der Vesperdose, einem Mahl im Restaurant oder Café lassen wir uns vom Arbeitsalltag und seinen Unterbrechungen berichten, von großen Plänen und kleinen Wünschen. Gerade im Sommer kann so eine Pause auch ein bisschen Urlaub sein, ein kleiner Ausflug in die Stadt, die um diese Zeit von Touristen umschwärmt ist. Wer sich bei seiner Mittagspause von uns begleiten lassen will, kann sich gerne unter redaktion@tagblatt.de melden.

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Erstellt:
09.08.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 52sec
zuletzt aktualisiert: 09.08.2016, 01:00 Uhr

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