Das schwarze Schaf in der Szene

Partyveranstalter Stephan Eissler über seinen Eintritt in die AfD und die Folgen

Stephan Eissler war lange fester Bestandteil des Tübinger Nachtlebens. Jetzt ist der 45-Jährige in die AfD eingetreten und wurde dafür aus dem Veranstalterteam der „Schwarzen Nacht“ geworfen. Er fühlt sich zu Unrecht stigmatisiert.

13.08.2016

Von Lorenzo Zimmer

Stephan Eissler    Archivbild: Sommer

Stephan Eissler Archivbild: Sommer

Tübingen. In der „Schwarzen Szene“ Tübingens hat es geknallt. Sie trifft sich seit vielen Jahren auf der monatlichen Veranstaltung „Dark Visions“, oft auch nur als „Schwarze Nacht“ bezeichnet. Düstere Musik, schwarze Klamotten: Bestandteile der Gothic-Subkultur. Stephan Eissler war lange Veranstalter der besonderen Party. In der alternativen, oft linken bis links-liberalen Szene, die eher zu Rock als zu House-Musik tanzt, war er fester Bestandteil des allabendlichen Bildes. Erst als Hüter des Einlasses und der Kasse im Zentrum Zoo, später als eigenständiger Veranstalter und Betreiber der Nightlife-Webseite Partykel.

Jetzt ist Eissler aus dem Veranstalterteam der „Schwarzen Nacht“ ausgeschieden. „Es gab einen gewissen Druck von den DJs und den Gästen“, sagt Andy Rauer, Mitveranstalter und Mitarbeiter im Club 27 im Lustnauer Industriegebiet, wo die Party stattfindet. Denn Eissler ist in die AfD eingetreten. Als er das seinen Mitveranstaltern und DJs mitteilte, reagierten sie entsetzt: „Ich bat sie darum, dass wir nochmal in einem ruhigeren Moment reden sollten“, erinnert sich Eissler. „Daraufhin hielten sie mich aber bereits für nicht mehr tragbar.“ Er sollte das Team sofort verlassen. Mit einem Ausschluss hatte er gerechnet: „Mir war schon klar, dass meine Entscheidung, in die AfD einzutreten, zur Konsequenz haben wird, dass ich mich von der Party verabschieden muss.“. Doch er wollte auch den Gästen, die er zum Teil seit 20 Jahren betreute, auf Wiedersehen sagen. Eissler bat seine Kollegen darum, noch eine letzte Veranstaltung organisieren zu dürfen.

Doch DJ Jolly, DJ Matthias und DJ Marijan verhinderten das und erklärten ihre Entscheidung in einer Stellungnahme auf Facebook: „Wir zeigen gegenüber rechtem Gedankengut keine Toleranz.“ Mit der Presse wollen sie über das Thema nicht sprechen – und ihre echten Namen nicht in der Zeitung lesen: „Ich möchte jegliches öffentliches Forum, welches Herrn Eissler eine Breittretung seines verqueren und skurrilen, rechtspopulistischen Gedankenguts erlaubt, nicht unterstützen“, schreibt DJ Jolly in einer E-Mail ans TAGBLATT. Aus seiner Stellungnahme auf Facebook geht außerdem hervor, dass Eissler sich aus seiner Sicht bewusst zum Opfer macht: „Dies ist eine ebenso bekannte und durchschaubare wie einfältige Vorgehensweise von Rechtspopulisten und untermauert nur, in welcher Parallelgesellschaft Stephan inzwischen leider angekommen ist.“

Eissler hingegen fühlt sich zu Unrecht stigmatisiert: „Es gab Leute, die konkret zu einem Boykott meiner Veranstaltungen aufgerufen haben.“ In den Kommentarspalten unter den Stellungnahmen reicht das Spektrum von „Ich hab keine Lust, mit Rassisten zu tanzen und meinen Abend zu verbringen“, bis hin zu „Seltsame Zeiten, in denen man wegen unterschiedlichen politischen Einstellungen langjährige Freunde verliert“. Die Szene scheint gespalten.

Ähnlich geht es dem Betreiber des Club 27, Mihael Ivankovic: „Ich hatte zu Stephan immer ein super Verhältnis“, so der gebürtige Kroate, der noch eine Bar und einen Club in Stuttgart betreibt. Für ihn sind seine Partys grundsätzlich unpolitisch: „Mir ist wichtig, dass sich alle Gäste wohlfühlen.“ Dafür sei Toleranz elementar wichtig: „Bei uns wird jeder gelassen, wie er ist.“

„Haltungen der AfD

passen nicht zur Szene“

Gilt das dann auch für Eissler? „Es wird natürlich schwierig, wenn sich Leute politisch derart exponieren“, so Ivankovic weiter. „Dann werden wir unweigerlich damit assoziiert – ob wir das nun wollen oder nicht.“ Mit der Entscheidung, sich von Eissler zu trennen, hatte der Clubbetreiber aber nichts zu tun: „Das war die Entscheidung der DJs“, sagt Rauer.

Sie sind aus seiner Sicht gestandene Mitglieder der „Schwarzen Szene“ – mit ihrer Mitarbeit steht und fällt die Veranstaltung: „Das sind absolute Spitzen-DJs“, so Rauer. Ihre Haltung kann er grundsätzlich nachvollziehen: „Ich finde nicht, dass die AfD mit ihrer biederen Weltanschauung zur Schwarzen Szene passt.“ Er sieht die Haltungen der Partei sogar konträr zur Haltung seines Publikums: „Da sind so viele Individualisten unterwegs. Dazu noch Schwule, Lesben, Swinger. Das passt nicht zur AfD.“ Auch deshalb nicht, weil sich die Partei bisher nicht eindeutig von Rassismus und Homophobie distanziert.

Eissler ausdrücklich: „Meine Einstellung zum Thema gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist für mich ein zentraler Grund dafür gewesen, in die AfD einzutreten“, sagt er dem TAGBLATT. „Deshalb ärgert mich etwa der Fall Gedeon auch maßlos.“ Der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon geriet nach den Wahlen wegen antisemitischer Aussagen in den Fokus der Kritik. Dazu Eissler: „Ich selbst habe mich mit dem gesamten AfD-Kreisverband Tübingen für einen Ausschluss Gedeons ausgesprochen.“

Für Eissler gab es noch weitere Gründe, in die AfD einzutreten: „Erster Auslöser waren Diskussionen mit meinem früheren Kommilitonen Chris Kühn.“ Eissler habe erkannt, dass das Asylrecht für den grünen Bundestagsabgeordneten keine Obergrenze kenne: „Damals wurde mir klar, dass bei den Grünen, die ich zuvor so oft gewählt habe, wirklich radikale Ideologen am Werk waren. Sie sind bereit, solche Grundsätze ohne Rücksicht auf politische und gesellschaftliche Konsequenzen durchzusetzen.“ Aus seiner Sicht wäre es sinnvoller, den Menschen vor Ort zu helfen, statt in Deutschland: „Den Ausschlag dafür, den letzten Schritt zum Parteibeitritt zu tun, gaben dann die massiven Anfeindungen gegen die AfD.“

Als er in Reutlingen einen Auftritt von AfD-Vizechef Alexander Gauland besuchte, beobachtete Eissler nach eigenen Angaben, „wie Mitglieder der Jugendorganisationen von SPD, Grünen und Die Linke gemeinsam mit Menschen aus dem Umfeld der Antifa versucht haben, mit äußerst massiver Einschüchterung Menschen davon abzuhalten, der Rede beizuwohnen.“ Eissler sieht den Trend, Andersdenkende einzuschüchtern und zu diffamieren: „Da wurde mir klar, dass ich nicht bereit war, diesen Gesinnungsfaschismus einfach hinzunehmen.“

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Erstellt:
13.08.2016, 00:59 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 47sec
zuletzt aktualisiert: 13.08.2016, 00:59 Uhr

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manne12 14.08.201614:41 Uhr

Ich kann nur noch mit dem Kopf schütteln - über soviel Intoleranz der ach so toleranten Linken und Grünen. Warum regt sich niemand über die Linkspartei auf?. Die AfD ist eine demokrotisch legementierte Partei und ein dringend notwendiger Gegenpol zu der allbeherrschenden linken Parteienlandschaft. Wird einer Person sein Arbeitsplatz gekündigt, weil er Mitglied der Linkspartei ist?. Werden langjährige Freundschaften aufgekündigt, weil der andere Mitglied der Linkspartei ist? Werden Geschäftsverträge gekündigt, weil der Partner in der AfD ist? Und die Liste kann endlos fortgeführt werden..Und so etwas nennt bzw. schimpft sich Demokratie?!. Jeden Tag lesen wir negative Meldungen zur AfD in den Medien, hauptsache die Sau wird durchs Dorf getrieben. Mir geht es langsam wie Herrn Eissler, schon aus Protest gegen die total undemokratische Art und Weise wie mit der AfD umgesprungen wird, bin ich bereit diese zu wählen.

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