Tübingen

Palmer: Kopftuchverbot in Schule und Kindergarten

Oberbürgermeister Boris Palmer hält das Kopftuch muslimischer Mädchen für ein Zeichen von Unterdrückung und will es in Kindergärten und Schulen verbieten.

19.12.2018

Von Sabine Lohr

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Foto: Sebastian Gollnow dpa/lsw

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Foto: Sebastian Gollnow dpa/lsw

Mädchen sollten lernen, dass Gott sie nicht straft, wenn sie kein Kopftuch tragen. Sie sollten verstehen, dass daran nichts unkeusch ist und Männer sie nicht als Sexobjekte einstufen, wenn sie offenes Haar tragen“, schreibt Oberbürgermeister Boris Palmer in einem Brief an den Mädchentreff Tübingen. Der OB ist überzeugt davon, dass die Eltern muslimischer Mädchen die Entscheidung darüber treffen, ob ihre Tochter ein Kopftuch tragen muss oder nicht. Die Mädchen würden oft behaupten, sie täten das aus freien Stücken. Palmer: „Dagegen spricht, dass dies bei christlichen oder säkular erzogenen Kindern praktisch nie beobachtet wird.“ Die Mädchen sollten selber darüber entscheiden dürfen, so Palmer. „Das gelingt nur, wenn sie bis zur Religionsmündigkeit wenigstens in der Schule erleben, wie man ohne Kopftuch lebt.“

Anlass für das Schreiben ist ein offener Brief des Mädchentreffs an Palmer vom 14. Dezember. In diesem beklagen sich Team und Vorstand des Mädchentreffs über eine Rede Palmers, die er am 25. November, dem „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“, im Rathaus hielt. Im Publikum saßen auch Vertreterinnen des Mädchentreffs – zusammen mit muslimischen Mädchen. In seiner Rede sagte Palmer, es sei „wichtig, offen anzusprechen, dass es tatsächlich Probleme gibt, die wir in dieser Dimension in unserem Land erst kennen, seit vor drei Jahren sehr viele junge Männer aus patriarchalen Kulturkreisen zu uns gekommen sind.“

Das habe die Vertreterinnen des Mädchentreffs „vor den Kopf gestoßen“, heißt es in dem Brief an Palmer. Über die muslimischen Mädchen im Saal schreibt der Mädchentreff: „Haben sich diese Zuhörerinnen wohl gefragt, ob ihre Brüder, Väter, Onkels und Cousins auch gemeint waren, sofern sie nicht im Krieg umgekommen sind?“

Palmer antwortet darauf: „Ich finde, dass es auch für geflüchtete Mädchen wichtig ist, sich Gedanken darüber zu machen, woher diese Gewalt junger männlicher Geflüchteter kommt und was sie in unserer Gesellschaft bewirkt. Sie sind ohnehin davon betroffen.“

Zum Kopftuchtragen schreiben die Vertreterinnen des Mädchentreffs, dass sich die muslimischen Mädchen nach dem Vortrag entschieden dafür ausgesprochen hätten, selbst entscheiden zu können, was sie auf dem Kopf tragen. „Das Tragen des Kopftuchs, sagen manche, ist für sie ein Zeichen von Stärke, weil es Teil ihrer Religion ist.“

Der Mädchentreff schreibt, das Kopftuch sei „Zeichen der Religionszugehörigkeit“ und Personen dürfen entscheiden, „ob und wann sie diese Zugehörigkeit nach außen zeigen“. Das Team schreibt auch, in vielen christlichen Kirchen gäbe es die Kindstaufe: „Eltern entscheiden über Zugehörigkeiten, Religionsmündigkeit ist mit 14 Jahren vorgesehen.“

Er sei davon überzeugt, dass die Frage des Tragens eines Kopftuches in Bildungseinrichtungen und öffentlichen Räumen in Deutschland zu keiner Zeit, in keinem Alter durch Erlaubnis und Verbot regelbar ist beziehungsweise geregelt werden sollte.

In einem Brief an „Terre des femmes“, das eine Unterschriftenaktion gegen das Kopftuch initiiert hatte, kritisiert der Mädchentreff, dass die Organisation nicht den grundsätzlichen Schutz von Mädchen vor religiösen Dogmen fordert, sondern sich nur auf das Kopftuch bei Musliminnen beschränkt.

Palmer, der die Terre-des-femmes-Aktion als einer der Ersten unterschrieben hatte, dazu: „Der Bezug zu Gewalt an Frauen ist meiner Auffassung nach gegeben. Denn auch wenn das Kopftuch nicht immer Zeichen von Unterdrückung ist, so gibt es doch sehr viele Belege dafür, dass es das sein kann und damit auch Gewalt verbunden ist.“

Sabine Engel, Mitarbeiterin im Mädchentreff, sagte gegenüber dem TAGBLATT, der Treff werde „auf jeden Fall“ auf das Antwortschreiben von Palmer reagieren, wohl in Form eines weiteren Briefes. Über den Inhalt und auch das weitere Vorgehen wolle das Team heute sprechen.

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Erstellt:
19.12.2018, 11:40 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 50sec
zuletzt aktualisiert: 19.12.2018, 11:40 Uhr

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