Malaga

Palavern bei Sonnenuntergang als Weltkulturerbe

Ein spanisches Dorf möchte die Tradition der Plauderei in der Abendfrische von der Unesco schützen lassen.

25.09.2021

Von kna

Sich an die frische Luft setzen, nichts Besonderes tun und den Tag ausklingen lassen. Dabei mit Freunden, Verwandten und Nachbarn plaudern, über Gott und die Welt. So sieht tagtäglich das abendliche Dasein in Andalusien im Süden Spaniens aus. Das Palavern bei Sonnenuntergang hat einen Namen: „Charla al fresco“, Plauderei in der Abendfrische. „Diese Tradition kommt aus einer Zeit, als es noch kein Fernsehen und keine Klimaanlage gab“, sagt der Anthropologe Isidoro Moreno.

Früher seien die Häuser sehr einfach, klein und nicht isoliert gewesen. Gerade in den heißen Sommermonaten mit Temperaturen über 40 Grad habe man es drinnen kaum ausgehalten. „Ich erinnere mich, dass Leute aus meinem Viertel sogar Matratzen raustrugen“, erzählt der emeritierte Professor der Universität Sevilla, „um dann nach dem Schwatz auch gleich in der kühleren Luft zu schlafen“.

Die Bewohner des 1400-Seelen-Dörfchens Algar in der andalusischen Provinz Cadiz wollen die „Charla al fresco“ von der Unesco schützen und als nichtmaterielles Weltkulturerbe anerkennen lassen. Den förmlichen Antrag hat das Dorf bereits an Andalusiens Kulturbehörde gesandt – der erste Schritt zu einem förmlichen Unesco-Vorschlag.

Große Konkurrenz

Ob es der Brauch bis zur Anerkennung als Welterbe schafft, muss sich zeigen, schließlich wird die Plauderei in der Abendfrische mit vielen anderen Riten, Festen und Bräuchen aus ganz Spanien um die Ehre konkurrieren müssen.

Moreno bedauert, dass von Spaniens Plätzen, die seit jeher beliebte Treffpunkte sind, mehr und mehr Sitzbänke verschwinden, damit Cafés und Restaurants Stühle und Tische aufstellen können. „Alles wird zur Ware, auch das Zusammensitzen im Freien.“ Umso attraktiver sei im Gegenzug die Tradition der „Charla al fresco“. „Außer dem Bedürfnis nach frischer Abendluft und Geselligkeit ist sie frei von einem Zweck und kostet nichts.“

Auch José Carlos Sanchez, Bürgermeister von Algar, schwärmt von den abendlichen Begegnungen: „Es ist der schönste Moment des Tages.“

Moreno hält wenig davon, den Brauch einem Dorf, einer Region oder einem Land zuzuordnen. Schließlich werde die Gepflogenheit in vielen Ländern praktiziert. Allerdings habe die Initiative von Algar auch etwas Gutes: „Sie stößt die Diskussion an, dass soziale Interaktion im öffentlichen Raum für alle möglich und gefördert werden sollte.“

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Erstellt:
25.09.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 07sec
zuletzt aktualisiert: 25.09.2021, 06:00 Uhr

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