Olympia macht Menschen unberechenbar

Sportredakteur Wolfgang Scheerer berichtet von seinen Erfahrungen in Rio de Janeiro.

19.08.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Unser Sportredakteur Wolfgang Scheerer berichtet aus Rio. Foto: KOENNEKE V

Unser Sportredakteur Wolfgang Scheerer berichtet aus Rio. Foto: KOENNEKE V

Rio de Janeiro. Große Vorsicht ist angebracht, wo sich Menschen in Extremsituationen befinden. Also bei Olympia. Sie werden unberechenbar. Sonst hätte 400-Meter-Läuferin Allyson Felix jetzt das dritte Gold nacheinander gewonnen (und nicht Silber). Den Sieg hatte ihr Shaunae Miller mit einem Bauchklatscher ins Ziel weggeschnappt und Abschürfungen in Kauf genommen. Wie heißt die Disziplin noch gleich: Sprint? Weitspringen? Egal. „Ich habe nur an die Goldmedaille gedacht“, sagte die schnelle junge Lady von den Bahamas. Tja, Allyson Felix, so kann’s laufen.

Es gibt natürlich auch eine Facebook-Seite „Rio 2016“. Da dürfen alle alles schreiben. Einer beispielsweise übers BMX-Radfahren: „Das ist Sport? Ich dachte, BMX ist Straßenkunst?“ Es findet meist eher nicht auf der Straße statt und ist die Kunst, nach einem harakirischweren Kurs mit dem Rad ins Ziel zu kommen. Das klappte beim Niederländer Nick Kimmann in Rio jetzt nur halb. Nach einem spektakulären Sprung verlor er sein Vorderrad und lief mit dem Rest unterm Arm durchs Ziel. 70 Sekunden später als geplant – aber unter ohrenbetäubendem Applaus. Das muss er sein, der wahre Sportsgeist. Schon deshalb lohnt sich jede Reise zu Olympia.

Oder fast jede. Denn das vielleicht Verrückteste haben hier gerade zwei Deutsche getan. Kaum zur Bronzemedaille gesegelt, sprangen Erik Heil und Thomas Plößel mit einem Rückwärtssalto von Bord ins Wasser. Es war kein ganz normales Wasser, sondern die berühmt-berüchtigte Brühe der Guanabarabucht. Exakt damit war Heil bereits letztes Jahr bei der Testregatta in Berührung gekommen. Unliebsame Folge waren schwere Hautentzündungen an Beinen und Hüfte durch einen multiresistenten Keim, der sich vorher im verdreckten Wasser wohlgefühlt hatte. Der 49er-Segler musste deshalb sogar ins Krankenhaus.

Trotzdem schien er nun vom sportlichen Erfolg verblendet und ist wieder eingetaucht. Da kann die Frage aktuell und für die nächste Zukunft nur lauten: Alles noch Heil?