200 Jahre Fahrrad

Ohne Licht und auf der falschen Spur

Von der missachteten Vorfahrt bis zum Fahren auf der verkehrten Seite: Welche Fehler am häufigsten zu Radunfällen führen.

09.06.2017

Von Philipp Koebnik

Radfahrer, die bei Dunkelheit ohne Licht unterwegs sind – wie hier auf der Neckarbrücke –, sind bisweilen kaum zu erkennen. Archivbild: Metz

Radfahrer, die bei Dunkelheit ohne Licht unterwegs sind – wie hier auf der Neckarbrücke –, sind bisweilen kaum zu erkennen. Archivbild: Metz

Viele kennen das vermutlich: Man schlendert gemütlich durch die Tübinger Altstadt – und plötzlich rauscht ein Fahrradfahrer gefühlte drei Zentimeter an einem vorbei. Freilich: Längst nicht alle Radler sind Rüpel, aber doch etliche. Sie fahren bei Rot über die Kreuzung, biegen plötzlich auf Gehwege ab, missachten die Vorfahrt, schneiden Autos und sogar Busse, fahren zu schnell oder ohne Licht. Und dann kracht es auch mal.

Im vergangenen Jahr gab es im Kreis 257 Unfälle, in die Radfahrer verwickelt waren, davon 148 in der Stadt Tübingen. Besonders betroffen ist laut Polizei der gesamte Innenstadt- und Uni-Bereich, gerade auch was Zusammenstöße von Radlern untereinander oder von Radfahrern und Fußgängern angeht. „Das ist angesichts der Frequentierung dort nicht außergewöhnlich“, findet Andrea Kopp, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Reutlingen.

Von den 257 Radunfällen im Jahr 2016 wurden 157 von Fahrradfahrern verursacht. Von diesen 157 waren 80 sogenannte Alleinunfälle, also Unfälle, die auf Fahrfehler des Radlers zurückgehen – Unachtsamkeit, Ausrutschen, Streifen am Bordstein und ähnliches. Die Alleinunfälle machten somit gut die Hälfte aller von Radlern verursachten Unfälle aus.

Bei 226 der 257 Unfälle – das entspricht 88 Prozent – kamen Menschen zu Schaden. 179 Radfahrer wurden leicht und 50 schwer verletzt – letztere oft, weil sie keinen Helm trugen. So wurde Anfang Mai ein 17-jähriger in Hagelloch an der Ecke Hagenloher Straße/Schloßgartenstraße mit seinem Mountainbike von einem Auto erfasst. Mit schweren Kopfverletzungen wurde er sofort ins Krankenhaus gebracht.

Zieht man von den 257 Unfällen die Alleinunfälle ab, bleiben 177 Unfälle, an denen weitere Menschen beteiligt waren. Davon wurden 77 von Radlern und 100 von anderen Verkehrsteilnehmern verursacht. Unter diesen 100 waren 76 Autofahrer, acht Fußgänger, drei Busse, drei Lastwagen, ein Traktor und ein Wohnmobil.

Falsche Fahrbahn benutzt

Abgesehen von individuellen Fahrfehlern, die den höchsten Anteil ausmachen, war die häufigste Ursache der 77 von Radlern verursachten Unfälle laut Polizei eine „verbotswidrige Benutzung der Fahrbahn“ wie Fahren auf dem Gehweg, entgegen einer Einbahnstraße oder in falscher Richtung auf dem Radweg. So prallte am vergangenen Samstag ein 16-jähriger Radler in Rottenburg gegen die Fahrerseite eines Kleinwagens, nachdem er verbotenerweise auf dem Bürgersteig herangefahren war. Der Autofahrer hatte ihn beim Abbiegen von der Wilhelm- in die Tübinger Straße übersehen. Der jugendliche Radfahrer wurde leicht an der Hand verletzt.

An dritter Stelle kommen Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot. Fast ebenso häufig lag die Ursache darin, dass Radler die Vorfahrt missachtet haben. Der bereits erwähnte 17-Jährige, der in Hagelloch angefahren wurde, hatte nicht beachtet, dass die 48-jährige Autofahrerin Vorfahrt hatte. Da sie zudem beim Abbiegen von der Schloßgartenstraße in die Hagenloher Straße die Kurve schnitt, kam es zum Zusammenstoß.

Eine weitere häufige Unfallursache sind Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr. Seltener verunglücken Radler, weil sie ihre Geschwindigkeit nicht anpassen oder beim Linksabbiegen einen Fehler machen. Die mit Abstand häufigsten Unfallursachen bei den anderen Verkehrsteilnehmern sind Kopp zufolge: nicht beachtete Vorfahrt, Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr und Fehler beim Linksabbiegen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamts nehmen nicht von jedem Verkehrssünder die Personalien auf, sondern nur von jenen, die ihr Bußgeld nicht gleich an Ort und Stelle zahlen, erklärt Heike Narr von der städtischen Fachabteilung Verkehrsrecht und Ordnungswidrigkeiten. Das Geld der anderen komme ohne Angaben zur Person oder Tat auf Sammelkonten der Stadt. Außerdem gibt es eine Verwarnung.

Das Handy am Ohr kostet 25 Euro

Wieviel ein Radfahrer wegen eines Fehlverhaltens zahlen muss, ist bundesweit einheitlich geregelt. Die meisten Bußgelder bewegen sich zwischen 15 und 25 Euro, wobei sie steigen, wenn der Radler andere Menschen behindert oder gar gefährdet hat. So kostet es mindestens 15 Euro, wenn man durch eine Fußgängerzone fährt oder auf einem Gehweg mit mehr als Schrittgeschwindigkeit, wenn man einen Fehler beim Linksabbiegen macht, einen gesperrten Bereich durchquert oder trotz Schutzstreifenmarkierung nicht auf der rechten Seite fährt.

20 Euro werden fällig, wenn der Radler den beschilderten Radweg nicht benutzt, in der falschen Richtung auf ihm fährt, eine Einbahnstraße nicht in der vorgeschriebeben Richtung benutzt oder bei Dunkelheit oder schlechter Sicht ohne Licht fährt. Das Handy am Ohr beim Fahren schlägt mit 25 Euro zu Buche.

Lediglich 5 Euro kostet es hingegen, freihändig zu fahren oder ein Kind ohne vorgeschriebene Sicherheitsvorkehrungen auf dem Rad mitzunehmen. Das Überfahren einer roten Ampel hat ein Bußgeld von 60 Euro zur Folge – oder von 100, wenn die Ampel bereits länger als eine Sekunde rot war. Ist ein Rad nicht vorschriftsmäßig und beeinträchtigt dadurch „wesentlich“ die Verkehrssicherheit, sind 80 Euro fällig.

Fährt ein Radler betrunken, so gilt das nicht als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat. Verursacht er einen Unfall, kann er vor Gericht angeklagt werden. Das gleiche gilt in jedem Fall bei einer Alkoholisierung von über 1,6 Promille. Bei Radfahren mit 1,6 Promille oder mehr wird außerdem eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet. Je nach Ergebnis können die Behörden die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge entziehen oder sogar ein Radfahrverbot aussprechen.

Warum 2016 besonders viele Fahrräder geklaut wurden

541 Fahrräder wurden in der Stadt Tübingen im Jahr 2016 geklaut. Im gesamten Kreis waren es 701. Auch im Jahr davor war die Zahl der Fahrraddiebstähle mit 520 beziehungsweise 702 Fällen ungewöhnlich hoch. So wurden 2012 im Kreis 524 und in Tübingen 323 Räder geklaut. Den Hintergrund dieser Zahlen kennt Andrea Kopp von der Reutlinger Polizei: Mehr als 400 Fahrräder soll die sogenannte Ducatobande im Raum Tübingen seit 2015 gestohlen haben, bevor die Täter im späten Herbst vergangenen Jahres gefasst wurden. Gegen neun Männer hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile Anklage erhoben.

Zum Dossier: 200 Jahre Fahrrad

Zum Artikel

Erstellt:
09.06.2017, 22:15 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 53sec
zuletzt aktualisiert: 09.06.2017, 22:15 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Wirtschaft: Macher, Moneten, Mittelstand
Branchen, Business und Personen: Sie interessieren sich für Themen aus der regionalen Wirtschaft? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Macher, Moneten, Mittelstand!