Laut Umfrage ist die gefühlte Unsicherheit gewachsen

Oberbürgermeister Boris Palmer wollte wissen, wie sicher sich die Tübinger fühlen

Fünf Fragen zum Sicherheitsgefühl schickte die Stadtverwaltung im Januar an 1000 Bürger, die älter als 16 Jahre sind und seit mindestens zwei Jahren in der Stadt wohnen. Die Idee dazu hatte Oberbürgermeister Boris Palmer. Er entwickelte die Fragen zusammen mit dem städtischen Amt für Statistik.

21.03.2018

Von Sabine Lohr

Wie sicher fühlen Sie sich in Tübingen?
02:16 min
Wie sicher fühlen Sie sich in Tübingen? Das TAGBLATT hat sich in Tübingen umgehört. Video: Adelheid Wagner

Das Ergebnis stellte Prof. Rita Haverkamp am Montagabend im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats vor. Haverkamp ist Inhaberin der Stiftungsprofessur „Kriminalprävention und Risikomanagement“. Von den 1000 Befragten haben 609 geantwortet. Das sind 59,8 Prozent. „Das ist ein sehr, sehr hoher Rücklauf“, sagte Haverkamp. Er sei „sicher auch der Kürze des Fragebogens geschuldet“. Von den 609, die geantwortet haben, sind 53 Prozent weiblich und 47 Prozent männlich.

Furcht wovor eigentlich?

64 Prozent der befragten Männer und 45 Prozent der Frauen fühlen sich sicher, wenn sie bei Dunkelheit in der Stadt unterwegs sind. „Sehr unsicher“ fühlen sich 5 Prozent der Männer und 9 Prozent der Frauen. Insgesamt fühlen sich Frauen unsicherer, was Haverkamp zufolge eine „kriminologische Erkenntnis“ bestätigt. Sie stellte zudem ein „Kriminalitätsfurcht-Paradoxon“ fest: Einerseits fürchten sich Frauen und Ältere mehr, andererseits sind junge Männer am häufigsten Opfer. Haverkamp kritisierte die Frage, weil sie nicht explizit nach Kriminalitätsfurcht gestellt wurde. Unsicher könne man sich aber auch fühlen, weil man Angst vor Altersarmut, vor den Weltereignissen oder Krankheit habe.

Kritik an der Fragestellung

Als Zweites wollte Palmer wissen, ob sich das Sicherheitsgefühl „in den letzten Jahren“ geändert habe. Das Ergebnis: Kaum jemand fühlt sich sicherer, die Mehrheit gleich oder fast gleich sicher. 49 Prozent der Männer und 59 Prozent der Frauen fühlen sich unsicherer. Haverkamp war auch diese Frage zu unspezifisch. Unter „letzte Jahre“ würden Jüngere vielleicht zwei Jahre, Ältere zehn verstehen. Besser wäre gewesen, einen genauen Zeitraum zu nennen.

Fast alle Befragten (rund 83 Prozent) glauben, dass sich auch andere unsicherer in Tübingen fühlen. Das ist das deutlichste Ergebnis der Befragung. Als Einflüsse, die ihr Sicherheitsgefühl bestimmen, wurden „Fernsehen, Radio und Medien“ am häufigsten, Freunde und Bekannte danach und eigene Erlebnisse genannt. Soziale Medien spielen dabei nur eine kleine Rolle.

Mehr Licht, mehr Polizei und Kameras

Am Ende fragte OB Palmer nach Maßnahmen, die das Sicherheitsgefühl verbessern würden. Am häufigsten wurde bessere Beleuchtung genannt. 61 Prozent kreuzten „mehr Polizei“ an und 48 Prozent nannten Videoüberwachung (Palmer: „Das war der überraschendste Wert für mich“), 33 Prozent Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen bei Nacht. Letzteres kreuzten, so Haverkamp, kaum junge Leute an.

Nur Tendenzen erkennbar

Interpretieren wollte die Professorin die Ergebnisse nicht. „Es sind keine tiefergehenden statistischen Aussagen darin“, sagte sie. Es fehle an soziodemographischen Daten wie Bildungsgrad, finanzieller Situation oder auch Migrationshintergrund der Befragten, um genaueres zu erfahren und möglicherweise auch Veränderungen zu veranlassen.

Palmer wollte von ihr wissen, ob der Fragebogen methodische Fehler habe, die „die Bewertung der Antworten so beeinflussen, dass sie nicht verwertbar sind“. „Ich bin da sehr zurückhaltend“, sagte Haverkamp. Die wenigen Fragen hätten einen großen Interpretationsspielraum. „Ich würde gewisse Tendenzen sehen, aber nicht mehr.“ Aus wissenschaftlicher Sicht müsse man den Fragebogen vertiefen.

Noch keine politische Bewertung

Palmer wollte das Ergebnis politisch noch nicht bewerten. Das mache er zu einem späteren Zeitpunkt, sagte er. Lediglich auf die Frage von Ingrid Fischer (CDU), ob sich das Sicherheitsgefühl wegen der Flüchtlinge und der sexuellen Übergriffe geändert habe (Haverkamp: „Das kann man aus dieser Umfrage nicht ablesen“), sagte Palmer: „Politisch ist die Antwort extrem einfach.“

Unterschiedliche Ergebnisse

Die Umfrage wurde sowohl von der Verwaltung als auch von Prof. Rita Haverkamp ausgewertet. Dabei kamen bei den beiden letzten Fragen, bei denen Mehrfachnennungen möglich waren, andere Ergebnisse heraus. Vor allem die letzte Frage (nach den Maßnahmen) unterscheiden sich beträchtlich. Haverkamp sagte im Ausschuss, das liege an dem Statistikprogramm, das sie verwendet habe, gestand aber auch einen Auswertungsfehler ein. Außerdem fehlten ihr 40 Fragebögen.

Sie wird die Umfrage nun noch einmal genauer auswerten und die richtigen Ergebnisse noch einmal im Verwaltungsausschuss vorstellen. Erst dann ist auch eine Debatte vorgesehen.

Für diesen Artikel wurden deshalb bei den letzten beiden Fragen die Ergebnisse der Verwaltung verwendet.

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Erstellt:
21.03.2018, 01:05 Uhr
Aktualisiert:
21.03.2018, 09:29 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 58sec
zuletzt aktualisiert: 21.03.2018, 09:29 Uhr

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