AfD

SWP-Leitartikel: Nur oberflächlich einig

Die AfD betont auf dem Parteitag ihre Einigkeit. Die Auseinandersetzung mit offenem Visier ist aber nur aufgeschoben. Unter der Fassade bröckelt es gewaltig – was auch mit einem Comeback zu tun hat.

12.04.2021

Von DOMINIK GUGGEMOS

Dresden. Freund, Feind, Parteifreund – keine Partei füllt diese sarkastische Steigerungsformel von Konrad Adenauer so mit Leben wie die AfD. Auf dem Parteitag in Dresden demonstrierte die größte Oppositionspartei im Bundestag ungewohnte Einigkeit, vor allem in personellen Fragen. Also Friede, Freude, Eierkuchen zwischen dem Lager um Parteichef Jörg Meuthen und seinen Gegnern von Rechtsaußen? Keineswegs. Es ist ein pragmatischer Frieden auf Zeit. Der Richtungsstreit mit offenem Visier ist nur aufgeschoben bis in die Zeit nach den Wahlen.

In diese zieht die AfD mit dem Motto: „Deutschland. Aber normal.“ Normal, das ist für die Partei das Deutschland der 1960er-Jahre. Als Zuwanderer noch Gastarbeiter waren, von denen man erwartete, dass sie ihr Gastrecht nur auf Zeit wahrnehmen. Als unterschiedliche Lebensweisen außerhalb der klassischen Familie verpönt waren. Als der Klimawandel noch nicht mal in den Hörsälen der Republik ein Thema war, geschweige denn in der politischen Arena.

Doch es wäre ein Fehler, das Wahlkampfmotto als reaktionäre Träumerei wegzuwischen. Denn normal, das ist natürlich auch eine Zeit vor der Pandemie, vor Lockdowns, vor Kontaktbeschränkungen. Die AfD hat in Dresden eine absurd anmutende Corona-Resolution beschlossen, die sich gegen Tests und Impfungen – die zwei einzigen Wegen aus der Krise – ausspricht. Die sogenannten „Querdenker“ wird es freuen. Doch auch die Wähler könnten im September einen so großen Wunsch nach Rückkehr in ein normales Leben verspüren, dass das Angebot der AfD zu überzeugen vermag.

Entscheidend an der Verabschiedung der Resolution beteiligt war der rechtsextreme „Flügel“. Frontmann Björn Höcke, der von einer „herbeigetesteten Pandemie“ sprach, feierte auf dem Parteitag ein Comeback, nachdem er sich monatelang mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten hatte. Wie erfolgreich die Anträge waren, die er mit Vehemenz und scharfer Rhetorik unterstützt hat, zeigt, wie tief der Riss zwischen dem Meuthen-Lager und den Rechtsextremen in der Partei unterhalb der einigen Fassade geht.

Denn „normal“ ist für die AfD auch ein Deutschland vor der europäischen Integration. Obwohl sich mit dem Parteivorsitzenden Meuthen und dem Fraktionschef Alexander Gauland zwei absolute Schwergewichte gegen den Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union ausgesprochen hatten, wurde der Antrag mit großer Mehrheit angenommen. Die AfD wurde als Anti-Euro-Partei gegründet, da hat das eine gewisse Tradition. Doch das Zeichen ist klar: Die AfD will eine radikal andere Gesellschaft. An die verheerenden Folgen für Frieden und Freiheit will sie sich nicht erinnern lassen.

Im Kern, das sollte die politische Konkurrenz zwingend ernst nehmen, bedient die AfD damit aber auch das Bedürfnis nach einfachen Lösungen in der globalisierten und komplexen Welt. Ihren Gegenspieler in diesem Kulturkampf sieht die Partei in den Grünen. Darin ist sich die AfD sehr einig – nicht nur oberflächlich.

leitartikel@swp.de

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Erstellt:
12.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 24sec
zuletzt aktualisiert: 12.04.2021, 06:00 Uhr

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