Energiewende

„Nordlink“: Norwegen wird zur grünen Batterie

Ein Seekabel zwischen Deutschland und Skandinavien soll die Strommärkte miteinander verbinden. Der deutsche Netzausbau kann allerdings nicht mithalten und droht sich weiter zu verzögern.

28.05.2021

Von IGOR STEINLE

Der Nordlink, die Stromleitung zwischen Norwegen und Deutschland, ist nun offiziell eröffnet. Aufgrund der Pandemie trafen sich Premierministerin Erna Solberg und Kanzlerin Angela Merkel nur virtuell.  Foto: Gorm Kallestad / NTB / afp

Der Nordlink, die Stromleitung zwischen Norwegen und Deutschland, ist nun offiziell eröffnet. Aufgrund der Pandemie trafen sich Premierministerin Erna Solberg und Kanzlerin Angela Merkel nur virtuell. Foto: Gorm Kallestad / NTB / afp

Berlin. Nach mehrmonatigem Probebetrieb ist das Stromkabel „Nordlink“, das Deutschland und Norwegen verbindet, am Donnerstag offiziell von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Premierministerin Erna Solberg eingeweiht worden. Das Kabel wird als „Meilenstein der Energiewende“ gefeiert. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum ist Nordlink notwendig? Um seinen Beitrag im Kampf gegen die Erderwärmung zu leisten, strebt Deutschland langfristig eine Stromversorgung über erneuerbare Energie an. Wind- und Solarstrom haben allerdings den Nachteil, nicht zu jeder Zeit zur Verfügung zu stehen. Um diesen Nachteil auszugleichen, benötigt es Energiespeicher wie Pumpspeicherkraftwerke, Batterien oder Wasserstoff. Nordlink verbindet nun erstmals den norwegischen mit dem deutschen Strommarkt, wodurch Deutschland Zugang zu den Pumpspeicherkraftwerken Norwegens hat, das sich fast komplett mit Wasserkraft versorgt. Die Idee: Hat Norwegen überschüssigen Strom zur Verfügung, etwa während der Schneeschmelze, kann es diesen nach Deutschland leiten, andersrum kann überschüssiger deutscher Windstrom nach Norwegen übertragen und dort gespeichert werden.

Kann Deutschland sich mit norwegischer Wasserkraft versorgen? Nein, zu viel Euphorie ist unangebracht. Tim Meyerjürgens, Chef des Netzbetreibers Tennet, verglich die Leistung des Kabels mit der eines Atomkraftwerks. Bei Nordlink handelt es sich eher um einen Puffer, der zur Versorgungssicherheit beiträgt. Weil die innerdeutschen Stromtrassen zudem nicht fertiggestellt sind, verbindet es zunächst im Grunde nur den ohnehin ökostromreichen Norden Deutschlands mit dem skandinavischen Nachbar, nicht aber den industrie- und bevölkerungsreichen Süden und Westen der Republik. Dabei wären diese Regionen aufgrund des nahenden Atomausstiegs noch viel stärker auf neue Ökostromquellen angewiesen.

Wann sind die Stromtrassen fertig? Vier große „Stromautobahnen“ sind in der Planung. „Südlink“ von Schleswig-Holstein nach Baden-Württemberg soll Nordlink direkt mit dem Südwesten verbinden. „Südostlink“ verbindet Sachsen-Anhalt mit Bayern, „Ultranet“ führt von Niedersachsen nach Baden-Württemberg und der „B-Korridor“ von Schleswig-Holstein nach Nordrhein-Westfalen. Von den insgesamt 7700 Kilometern an Leitungen sind bisher jedoch nur 730 fertiggestellt. Südlink etwa hätte als „Hauptschlagader“ der Energiewende schon 2022 fertig sein sollen, pünktlich zur Abschaltung des letzten Atomkraftwerks. Aufgrund zahlreicher Klagen von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden verzögerte sich der Bau jedoch immer wieder. Um auf die Bürger zuzugehen, wurden anstelle von überirdischen Leitungen Erdkabel verlegt, weswegen nun offiziell spätestens 2026 mit der Fertigstellung gerechnet wird.

Es zeichnen sich aber, wohl auch wegen der Pandemie, erneut Verzögerungen ab. Jochen Homann, Chef der zuständigen Bundesnetzagentur (BNetzA), sagte erst diese Woche, es könnte 2028 werden. Zudem rechnen sowohl die Bundesregierung als auch die BNetzA, dass mit dem neuen, ehrgeizigeren Klimaziel zusätzliche Kapazitäten für den Stromtransport entstehen müssen. Auch Kanzlerin Merkel mahnte mehr Tempo beim Ausbau der Stromnetze an. Nordlink alleine löse Deutschlands Energieprobleme nicht. Nordlink könne seine ganze Kraft erst entfalten. wenn der Norden besser mit Süddeutschland verbunden sei. Beim Leitungsausbau werde man deswegen „noch einmal über Beschleunigungen nachdenken müssen“. Merkel regte an, Klagewege einzuschränken und die Bevölkerung schneller mit einzubeziehen.

Was haben Verbraucher davon? Bei Tennet heißt es, sie würden von dem Kabel preislich profitieren, wenn günstige Wasserkraft importiert werde. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht dies aber erst als langfristigen Effekt: „Die Energiewende wird insgesamt günstiger und preiswerter für den Verbraucher, wenn sie europäisch ist“. Er wirbt vor allem für die Versorgungssicherheit, die mit dem deutsch-norwegischen Konnex für die Kunden beider Länder einhergeht. So ist die Idee zu dem Kabel auch deswegen entstanden, weil es in der Vergangenheit in Trockenzeiten kritische Situationen in der norwegischen Stromversorgung gab.

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Erstellt:
28.05.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 45sec
zuletzt aktualisiert: 28.05.2021, 06:00 Uhr

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