Kreis Reutlingen · Coronavirus

Noch kein bestätigter Covid-19-Fall in Reutlingen

Landkreis Reutlingen setzt auf häusliche Isolation. Ein aufsuchender Bürgerfahrdienst testet Covid-19-Verdachtsfälle zu Hause.

03.03.2020

Von Uschi Kurz

Hände wurden keine geschüttelt bei der am Dienstag kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Landratsamt. Aus gutem Grund, denn auf der Tagesordnung standen der aktuelle Stand in Sachen Coronavirus und die weitere Vorgehensweise. Landrat Thomas Reumann gewährte den Anwesenden einen garantiert „antiviralen Gruß“ in Form eines Lächeln.

Gottfried Roller, der Leiter des Reutlinger Gesundheitsamtes, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, erläuterte die Begrifflichkeit. Begründete Verdachtsfälle, das sind Personen, die entweder unspezifische allgemeine Symptome oder aber Symptome der Atemwege zeigen und Kontakt zu einem bestätigten Fall hatten oder aber die Symptome zeigen und zudem in einem der Risikogebiete waren. 18 solcher begründeter Verdachtsfälle habe es bislang gegeben, getestet wurden daraufhin 20 Personen. Abstriche wurden genommen und im Labor untersucht: „Stand heute gab es noch keinen einzigen bestätigten Fall.“ Vier Kontaktpersonen der in Tübingen bestätigten drei Corona-Patienten leben im Landkreis Reutlingen und werden überwacht. Zum Vergleich nannte Roller aktuelle Zahlen der Grippeinfizierten. Man habe derzeit 570 Erkrankte, im Vorjahr seien es zum gleichen Zeitpunkt lediglich 415 gewesen.

Dass die Menschen gleichwohl in Sorge sind, zeigt sich daran, dass das Bürgertelefon, das vom Landratsamt am Wochenende eingerichtet wurde, stark in Anspruch genommen wurde. 80 Anrufe wurden gezählt, berichtete Christine Schuster von der Pressestelle, 10 bis 12 wurden ans Gesundheitsamt weitergeleitet. Einige von ihnen waren aus dem Skiurlaub zurückgekehrt, „die wenigsten aus Risikogebieten“.

Weil die Anrufe Anfang der Woche deutlich zugenommen haben, so Reumann, habe man beschlossen, das Bürgertelefon auszuweiten: „Wir sind jetzt rund um die Uhr erreichbar.“ Während der normalen Bürozeiten von 8 bis 16 Uhr über das Bürgertelefon für das vier extra Anschlüsse geschaffen wurden. Danach werden die Anrufe automatisch ans Gesundheitsamt weitergeleitet, wo es eine Nachtbereitschaft gibt.

„Wir sind keine Insel der Glückseligen“, sagt Reumann: „Wir werden Infizierte haben in Reutlingen.“ Und er wirbt für mehr Verständnis mit den Betroffenen: „Das sind keine Aussätzige.“ Man müsse als Gesellschaft verantwortlich mit der Herausforderung umgehen. Um die Ansteckungsgefahr möglichst zu reduzieren, wurde am Montag in Zusammenarbeit mit der Kreisärzteschaft ein „aufsuchender Bürgerfahrdienst“ eingerichtet. Das heißt, Personen, die befürchten, dass sie mit dem Virus infiziert sein könnten, werden zuhause von einem Arzt oder einer Ärztin besucht, der dann einen Abstrich macht. Die Probe kommt nach Stuttgart ins Landesgesundheitsamt, wo bereits nach wenigen Stunden das Ergebnis feststeht.

Man habe mit dem mobilen Dienst (zur Verfügung stehen zwei Fahrzeuge mit Fahrer und Arzt und dem entsprechenden Equipement) bereits 9 Abstriche gemacht, in Dettingen, Reutlingen und Betzingen, berichtete Roller. Dass dies im häuslichen Umfeld geschehe, sei von den Betroffenen sehr gut aufgenommen worden.

Auch Günther Fuhrer, der Vorsitzende der Kreisärzteschaft Reutlingen, appelliert im Sinne einer Risikominimierung dafür, dass Personen im Verdachtsfall keine Arztpraxis aufsuchen und auch nicht in die Klinik gehen: „Wir müssen die Leute schützen, die andere behandeln sollen.“ Die Versorgung von Erkrankten mit leichten Symptomen funktioniere am besten im häuslichen Umfeld, ist Fuhrer überzeugt. Entwickeln Personen schwere Symptomen, beispielsweise eine Lungenentzündung, würden sie ohnehin stationär aufgenommen.

Auch andere Patienten müssten vor Ansteckung geschützt werden, denn das Virus sei vor allem für Menschen mit Vorerkrankungen wie beispielsweise Diabetes, einer Lungenerkrankung oder bei einer Krebstherapie besonders gefährlich, ergänzt Dieter Mühlbayer, der am Klinikum am Steinenberg die Medizinische Labordiagnostik leitet. 85 Prozent der Erkrankten zeigten leichte oder gar keine Symptome. Und selbst im Worstcase, so der Mediziner, sei man gut vorbereitet. An allen drei Klinikstandorten gebe es Isolierbetten für insgesamt 80 Erwachsene und 30 Beatmungsplätze. Auch Schutzkleidung sei an den Kliniken genügend vorhanden.

Bürgertelefon rund um die Uhr: 07121/480 43 99

Die Federführung der sogenannten „Pandemieplanung“ liegt beim Reutlinger Gesundheitsamt. Bürgerinnen und Bürger, die befürchten, sich infiziert zu haben, können sich rund um die Uhr beim Bürgertelefon unter der Nummer 07121/480 43 99 beraten lassen. Bei der Einschätzung der Gefährdung und den notwendigen Maßnahmen orientiert sich das Gesundheitsamt an den Erkenntnissen des Robert Koch Instituts. Weitere Informationen zum Coronavirus gibt es auch auf der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.bzga.de

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Erstellt:
03.03.2020, 17:38 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 06sec
zuletzt aktualisiert: 03.03.2020, 17:38 Uhr

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